Ich würde gerne leben wie ein armer Mann mit einem
Diktat zur Selbstverwirklichung
M. lebt in einer Diktatur der Selbstverwirklichung. Ständig steht er unter dem Druck zum Ausdruck seiner ganz individuellen Persönlichkeit. M. hat sein ganzes Leben freiwillig diesem Diktat unterworfen, denn er ist Künstler. Seine Vorbilder umgeben ihn wie Geister, die er rief und nun nicht mehr loswird. Ob Klimt, Boeys oder Baselitz, allen gelang oder gelingt die Selbstvermarktung wesentlich besser als ihm. Zum einem lautlosen Schrei reißt er vorn an der Bühnenrampe seinen Mund weit auf.
Die Künstlerin und Regisseurin Silke Rudolph hat M. in ein dreidimensionales Bild gesetzt. Doch seine Bühne ist von Pappe. Statt rotem Samt hat sie einen schwarzen Plastikvorhang. Hier durchlebt M. seine Krise. Seine Alter Egos spuken ihm ebenso im Kopf herum wie die Personen seiner Vergangenheit. Ob die Erinnerungen an die Ex-Freundin, seine Kindheit, Künstlerkollegen, alle tauchen sie in seinen Gedanken in seiner kleinen zugemüllten Künstler-Eremitage auf. M. lebt die Krankheit seiner Zeit aus: Statt einer Neurose wie zu Freunds Zeiten plagt ihn eine Depression.
Silke Rudolph hat mit ihrem sympathischen Schauspielerquartett eine expressionistische Collage in vierzig Bildern entworfen. Mit dem selbstironisch unterfütterten Mut zum Vorläufigen und Unfertigen lassen die Vier wohl auch eigene biographische Reflektionen über die Last des Künstlerdaseins wie einen Bilderstrip entstehen. Ein charmanter, sehr persönlicher Abend im Lichthof.
Birgit Schmalmack vom 27.1.14