Zur Kritik von
Abendblatt |
Die Wahrheit über Frankie
Die perfekte Tranung der Realität
Ein endloser Sommer in Hamburg, vier junge Leute Anfang zwanzig verleben eine unbeschwerte Zeit zusammen am Elbstrand. Die Webcamaufnahmen auf der kleinen heruntergelassenen Leinwand zeugen davon. „Sweet dreams are made of this“, singen, pfeifen, trommeln, beatboxen sie dazu. Doch einer von ihnen wird diese Realität nach seinen Vorstellungen und zu seinen Gunsten verändern: Frankie, der älteste von ihnen, gibt vor, im Dienste einer großen Sache zu stehen. In Zeiten von 11. September und den Poloniumfunden in London ist man geneigt ihm zu glauben. Sollte das der Sinn des Lebens sein, nach dem alle insgeheim so begierig suchen? Christoph (Cornelius Henne) sieht sich schon als knallharter Agent und gibt gerne den Traum von einem beschaulichen Familienleben mit Judith (Dorit Oitzinger) auf. Emma (Mersiha Husagic) träumt von sich als eine moderne Emma Peel und stählt sich mit Konzentration durch Zen-Buddhismus. Für die Weinerlichkeiten von Judith hat sie nur Verachtung übrig. Doch Frankie (Vitus Wieser) findet bei jedem von ihnen schnell die wunden Punkte und sticht mit unnachgiebiger Härte hinein. Blut fließt nicht nur einmal auf der ansonsten völlig schwarzen Bühne. Immer wenn die Gruppe auseinander zu fallen droht, inszeniert Frankie geschickt eine Bedrohung von außen.
Tina Uebel ist der wahren Geschichte, die sich London abgespielt hat, gefolgt und hat sie in das heimische Hamburg verlegt. Sie zeichnet ein genaues Psychogramm aller Beteiligten. Während Frankie das Geld, das er den einzelnen aus der Tasche ziehen kann, und die Macht, mit der er die einzelnen gegeneinander ausspielen kann, interessieren, genießen die drei anderen ihre Wichtigkeit, ihre Aufgabe, die Aufmerksamkeit und den Sinn in ihrem sonst so durchschnittlichen Leben. Sie bewahrt sie davor auch zu einem Mittelstandszombie zu werden, den sie so verachten.
Regisseur Sven Lenz stellt diese psychologischen Analysen in dem leeren schwarzen Bühnenraum des Lichthofs sehr genau aus. Immer wieder wenden sich die drei Eingefangenen an das Publikum und versuchen zu erklären, wie sie in die Netze des Menschenfängers Frankie geraten konnten. Die Erklärungsversuche werden zu einer Suche nach der „Wahrheit über Frankie“ und ganz nebenbei auch zu einer philosophischen, äußerst spannenden Recherche über die Konstruktion von Wahrheiten und die Verführbarkeiten von Menschen.
Birgit Schmalmack vom 13.9.13