Hoffmanns Erzählungen 46 vol%
Traumhafte Einblicke in eine Künstlerseele
Mit einem Klopfen, einem Ruckeln und einem Plopp löst sich der überdimensionierte Korken aus dem Riesenfass. Ihm entsteigt mit sichtlicher Mühe die „Muse“. „Ihr“ Dichter, „ihr“ ETA Hoffmann, begegnet ihr am liebsten zusammen mit den Geistern des Weinkellers. Hier hat er die besten Einfälle für seine literarischen Ergüsse. So wird dann auch das Fass im weiteren Verlauf zur Bühne für „Hoffmanns Erzählungen“. Die Muse bleibt in Reichweite, um immer dann korrigierend einzugreifen, wenn ihr Dichter ein wenig neben die Spur zu geraten scheint.
ETA versucht seinen Anteil am Liebesglück zu erhaschen. Doch er fällt immer wieder auf die verkehrten Frauen herein. Davon handelt der Künstlerroman „Les Contes de Hoffmann“, in dem der Dichter als Künstler durch seine eigenen Geschichten geschickt wird. Zuerst liebt er die elektrische Frau Olympia vom Jahrmarkt. Dann entbrennt er für die Sängerin Antonia. Zuletzt lässt er sich von der Striptänzerin Giulietta verführen. Für jede dieser Geschichten lässt Regisseur Marcel Weinand eine neue Welt auf dem Fass entstehen. So werden die Zuschauer zuerst in einen Zirkus der Skurrilitäten, dann in einem Stummfilm und zum Schluss in ein Casino versetzt. Der ganze Zuschauerraum ist mit einbezogen. So sitzen die ersten Reihen an Tischen und werden von den Kellnern gleich mit bewirtet.
ETA versucht die Welt neu zu erfinden und begegnet doch immer nur sich. So blickt er beim Wiedererwachen nach einem letzten berauschenden Stelldichein mit einer seiner Geliebten lauter Gestalten, die ihn mit seiner Maske anblicken. Oder wie seine Muse es ausdrückte: Versuch kein Mann zu sein, sei einfach nur ein Dichter!
Was in seiner Lieblings-Kneipe beginnt, endet auch dort. In einem wunderbaren magischen Schlussbild wird der zusammengesunkene Hoffmann von den Kellnern in ihre Reihen aufgenommen.
Marcel Weinand hat sich für seine diesjährige Weihnachtsproduktion mit dem bewährten Lichthof-Ensemble einen anspruchsvollen Stoff vorgenommen. Die Arbeit ist zu seinem bisherigen Meisterstück geworden. Mit einem sicheren Gespür fürs Timing und Atmosphäre gelingen ihm poetisch verträumte Bilder, berührende Szenen, skurril-witzige Situationen und tiefgründige Einsichten in eine Künstlerseele.
Birgit Schmalmack vom 22.12.12