Orest reloaded, Lichthof
Griechischer Mythos up to date
Die Geschichte um Iphigenie auf Tauris kennt man. Doch nicht verklärend wie bei Goethe wird sie hier verzählt. Regisseur Hans Georg Dittrich scheut bei „Orest reloaded“ vor keinem drastischen Blick auf die Realitäten zurück.
Die Insel Tauris liegt bei ihm im amerikanischen Grenzland zu Mexiko. Der Hüter der Heimat und der Tradition Thoas wird hier zum Sheriff Joe Arpaio, dessen Mission es ist, illegale Einwanderer aus Mexiko ohne umständliche Gerichtsverfahren gleich zu eliminieren. Orest ist der mexikanische Flüchtling, der seinen von ihm aufgegriffenen Freund Pylades zur Hilfe eilen möchte. Ausgerechnet Orests Schwester Iphigenie, soll die Vollstreckerin des Todesurteils für die beiden Flüchtlinge sein. Sie ist selbst eine Fremde, die von Thoas durch Vergewaltigung gefügig gemacht wurde und nun für die grausame Aufgabe der Hinrichtung zuständig ist.
Händel hat für seine Oper „Orest“ ein Medley der besten Stücke aus seinen bisherigen Opern zusammen gestellt und es mit einem neuen Libretto versehen lassen. Regisseur Paul Georg Dittrich hat mit seiner Inszenierung dessen Entstehungsgeschichte konsequent weiter gedacht. Die ungewöhnliche Besetzung mit zwei Jazzmusikern, zwei klassischen Sängern und einem singenden Schauspieler sorgten auch in musikalischer Hinsicht für zusätzliche Anreize zur Innovationen.
Dessen Menschen verachtender Inhalt wird nun von Dittrich schonungslos auf die Bühne gebracht. Auf den weißen Wohnwagen, in dem Iphigenie haust, werden die Schlachtszenen in Splatterambiente projiziert. Orest, seine Mutter, sein Stiefvater – alle baden förmlich in Blut. Selbst Organentnahmen in der blutverschmierten Schlachthalle sind kein Tabu. Auf dem Sandareal davor ringen derweil Iphigenie, Thoas und Orest um Leben und Macht.
Dittrich holt den Stoff sehr dicht an die Zuschauer heran. Für einige, die den Saal noch während der Aufführung verließen, zu dicht. Doch sein Mut hat sich gelohnt: Dittrich gelingt eine dichte, provokative und aufrüttelnde Inszenierung.
Birgit Schmalmack vom 29.8.11
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