Cum-Ex Papers
Gier frisst Hirn
Circa drei Millionen Flitterkonfettis seien auf der Bühne verteilt, rechnet Günter Schaupp vor. Unvorstellbare 55 Milliarden Euros aber haben die Steuerbetrügereien der Banken die Steuerzahler gekostet. Wie soll ein Theatermacher die trockenen Finanzgeschäfte mit den Cum-Ex-Papieren auf der Bühne erklären? Helge Schmidt hat sich dieser Aufgabe gestellt. Er hat mit dem Recherche-Team "Correctiv" mit 19 Medienpartnern aus 12 Ländern zusammen gearbeitet, um an Informationen über die Cum-Ex-Geschäfte zu kommen, die seit 2001 grenzüberschreitend liefen. Erst ab 2015 gibt es erste gesetzliche Versuche, um diesen einen Riegel vorzuschieben.
Es werde ein schwieriger Abend, verspricht Ruth Marie Kröger gleich zu Beginn. Es ginge schließlich um finanzpolitische Operationen, die dem Normalbürger nur schwer verständlich seien. Doch sie entwarnt auch: Es gäbe auch einen Witz, Musik, Filmeinspielungen und viel Glitter. Die Filmausschnitte werden auf die runde Vertikaljalousie projiziert, die gleichzeitig zum diskreten Verhörraum werden kann. Schmidt arrangiert eine Mischung aus Doku-Theater und Wirtschaftskrimi. Bei ihm geben die drei Schauspieler abwechselnd den Whilstleblower Sebastian Frey, der die Ermittlungen mit seinen Aussagen ins Laufen brachte. Als Insider berichtet er von der Atmosphäre der Gier, die das Hirn frisst. Die Suche nach den Steuerschlupflöchern wurde zum Beweis der eigenen Genialität. Er erzählt von einer eingeschworene Kaste der cleveren Männer, deren Feind der Staat war, den sie schröpfen konnten. Dass sie dabei eigentlich die kleinen Steuerzahler betrogen, blendeten sie aus. Wer solche Skrupel hatte, war nicht hart genug für dieses Geschäft.
Die drei Schauspieler mimen diese Männer als Paten einer Geld-Mafia, sie schultern die Geldsäcke wie die Panzerknacker, sie schlüpfen in die Rollen der gewieften Banker und die des Aussteigers. Sie tragen zum Schluss seine Maske zu ihren Glitzerkostümen. Ein tolles Bild zum Abschluss, das im Kopf bleibt.
Warum blieb die Entrüstung der Bürger aus? Weil das alles nur in den grauen Seiten des Wirtschaftsteil der Zeitungen versteckt war? Die gefüllten Reihen im Lichthof zeigen, dass das Interesse der Zuschauer auf jeden Fall vorhanden ist. Der Lichthof füllt hier eine Lücke, die in einer Gesellschaft der zunehmenden Fehlinformationen fatale Folgen haben kann. Demokratieverdrossenheit ist nur eine davon. Bei der Entrüstung über die Skrupellosigkeit der Banker, die Ohnmacht der Politik, die Macht des Kapitals darf die Gesellschaft nicht stehen bleiben. Schließlich ist in einer Demokratie das mündige Mitwirken der Bürger da oberstes Gebot.
Birgit Schmalmack vom 30.10.18