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Murphys Gesetz, Lichthof

Murphys Gesetz, Lichthof Foto: G2 Baraniak

Über das Scheitern

Die beiden weiblichen Clowns hocken im Dunkeln des mit roten Schnipseln ausgestreuten Vierecks. Dann entdeckt eine von ihnen den Scheinwerferkegel. Doch immer wenn sie sich ihm nähern wollen, verschwindet er auf geheimnisvolle Weise. In ihrem Bemühen ihn zu erreichen, stolpern sie über ihre eigenen Füße, behindern sich gegenseitig, nehmen immer weitere Umwege, nähern sie ihm aber schließlich mit vorsichtigen gemeinsamen Schritten. Ihr Scheitern motiviert sie zum gemeinsamen Weitermachen, so lange bis sie endlich ihre Hände in den Scheinwerferkegel strecken können. Doch sie wollen noch höher hinaus. Ein Flugapparat wird erdacht und tatsächlich Wirklichkeit. Aus Holzlatten, Fahrradsattel und hydraulikbetriebener Abschussrampe gebaut, steht er plötzlich vor ihnen. Doch als die eine Clownin sich selbst in die Freiheit katapultieren will, dreht ihr die andere kurzerhand den Saft ab. Zu groß ist ihre Angst dann alleine zu sein. Das "Pfft", als sie den Schlauch aus der Hydraulikpumpe zieht, ist ein starker Bildmoment in "Murphys Gesetz", das der Start-Off-Gewinner Alek Niemiro mit seinen beiden Darstellerinnen für den Lichthof entwickelte.
Auf dem abgezirkelten Bühnenraum in der Mitte zwischen den beiden Zuschauertribünen schickt er sie als zwei Clowns durch das Fegefeuer des pantomimischen Scheiterns. Im grellen Stroboskoplicht zu elektronischen verzerrten Klängen werden sie dann zu sich verrenkenden Körpern. Dann spricht die Verzweiflung aus jeder ihrer Bewegungen. Stehen die beiden Schauspielerinnen jedoch außerhalb des roten Feldes, berichten sie mit klarem Blick und in analytischer Tonlage von Scheitern und seiner Bedeutung für das Leben. Hier erzählen sie sowohl von ganz alltäglichen Scheitererlebnissen, sprechen aber auch Texte, die philosophisch in die Tiefe gehen. Wie als Kind die Spaghettis immer durch die Gabel wieder zurück auf den Teller rutschten, hat hier ebenso Platz wie ein Text über die Schönheit des Scheiterns.
Die beiden Schauspielerinnen Alena Kolbach und Hanna Stange meistern ihre Aufgaben mit Bravour. Sie wechseln blitzschnell zwischen ihren Gefühlszuständen und Darstellungsformen hin und her. Viele schöne Bilder, viele tolle Ideen hielt diese Inszenierung bereit. Sie breiten sich wie ein Mosaik vor den Zuschauern aus. Die vielen verschiedenen Eindrücke bleiben nebeneinander stehen. Niemiro verzichtet darauf, sie zu einem Gesamtkonzept zu verbinden. So lässt er viel assoziativen Raum für die Zuschauer.
Birgit Schmalmack vom 4.10.18