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King Size

King Size by Christoph Marthaler

Große Betten, große Träume

So gerne möchten die Beiden zur Ruhe kommen, einschlafen in den weichen Betten mit den übergroßen Kissen. Doch immer wieder schrecken sie auf. Die Träume von der großen Liebe, von den überwältigenden Erinnerungen und von den unerfüllten Sehnsüchten reißen sie aus ihrer kurzfristigen Ruhe. Dann flüchten sie sich mit sanften Melodien in beruhigende Traumwelten. Sie schlüpfen in die Einbauschränke und treten mit einer neuen Identität heraus. Aus den Bediensteten werden die Hotelkunden, aus den Bademänteln schlüpfen sie in glamouröse Partykleidung, aus den Gebeutelten werden die Träumenden.
Ein Wellnessressort hat Christoph Marthaler hier natürlich nicht geschaffen, wenn auch die perfekt gestylte Hotelkulisse das vorgaukeln möchte. Wie eine Wiedergängerin spaziert eine ältere Dame (Nikola Weisse) mit Handtasche immer wieder durchs Zimmer. Mal erzählt sie von fickenden Amöben, mal räsoniert sie über ihre verschwundene Jugend, mal philosophiert sie über die Irritationen des Alters. Dann klappt sie einfach ihre Handtasche auf und schaufelt sich mit dem Schuhanzieher die Spaghettis in den Mund. Die beiden hervorragenden Sänger Michael von der Heide und Tora Augestad wechseln von einer Sprache zur nächsten. Im Traum ist alles möglich.
Marthaler gibt mit „King Size“ eine massentaugliche Version seiner Arbeiten, die die Hamburger aus früheren Intendanzen des Schauspielhauses gut in Erinnerung haben dürften. Die dauerten eher drei- als eineinhalb Stunden und boten wesentlich mehr an Irritationen und Verstörungen als dieser vergnügliche, kleine Abend.
Birgit Schmalmack vom 26.8.13

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