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Dark Material
Aufbau und Zerstörung
Gerade konnten die Zuschauer noch zuschauen, wie Bühnenbildnerin Monika Grzymala einen Kokon aus Plastikplane auf der weißen Bühne drapierte und ihn mit schwarzen Klebebändern seine klebrigen Fäden ausspinnen ließ, da rollt sie ihn schon wieder ein. Bildererschaffung und Bilderzerstörung liegen in „Dark Material“ dicht beieinander.
Ebenso in der Geschichte, die Jeremy Wade und Maria F. Scaroni erzählen. Sie betreten die Bühne und starren sich minutenlang an. Annäherung oder Abschätzung? Das ist zu dieser Zeit noch unklar. Dann beginnen sie sich behutsam abzutasten und umeinander zu winden. Wer wen führt und seine ihm folgenden Bewegungen bestimmt, ist ebenfalls noch offen. Dazu weben Xiu Xiu an ihrem Soundtisch einen atmosphärisch komplexen Klangteppich, der unter Zurhilfenahme des Schlagzeugs auch rhythmisch antreibend werden kann.
Zwischen den drei künstlerischen Eckpunkten Kunst, Musik und Tanz entwickelt sich ein intensiver Kampf um Strukturen und Beziehungen. Grzymala zeigt sie durch Linien, die sie in vielfältigen Form auf die Bühne bringt, Xiu Xiu durch ihre vereinnahmende, anstrengende und anregende experimentelle Elektro-Musik und die beiden Tänzer durch ihre Tanzgeschichte in mehreren Akten. Während die beiden ersten Parts zunächst im vagen Abstrakten bleiben, erzählen Wade und Scaroni von den Stadien einer Beziehung. Faszinierend berichten sie von der ersten zaghaften vorsichtigen Annäherung, von dem noch zärtlichen Näherkommen, von dem Darlegen, Verstehen, Ringen um Standpunkte, von Streits, die in handgreifliche Kämpfe ausarten, von Trennung, von den unsicheren Gehversuche als Einzelperson, von erneutem und gescheiterten Versuchen der Annäherung und von einer bleibenden Verbindung trotz getrennter Wege. Mit klaren, schnörkellosen Bewegungselementen lassen sie Bilder im Kopf entstehen, die viele mögliche Geschichten erzählen. Die klebrigen Fäden des Kokons hatten ihre Wirkung: Die Performance entfaltet ihren vereinnahmenden Sog.
Birgit Schmalmack vom 12.8.13