Low Pieces, Kampnagel
Lebende Aktgemälde
15 Minuten Konversation stehen zunächst auf dem Programm. Die Performer sitzen frontal am Bühnenrand dem Publikum gegenüber. Alle ganz leger in Freizeitkleidung und Sportschuhen gekleidet. Eine gut vorinformierte Zuschauerin nutzt die Gelegenheit und erzählt davon, dass sie vorgehabt hätte nackt zu kommen, doch im letzten Moment doch die Kleidungsstücke übergezogen hätte. Ein anderer wirft ein: Ratsam bei dem Klima in Hamburg! So plätschert die Unterhaltung dahin, bis der erste Black den Endpunkt setzt.
Danach sitzen auf dem schwarzen Bühnenrechteck fünf nackte Menschen mit Kopfhörern. Wie ferngesteuert bewegen sie im immer gleichen Rhythmus nur bestimmte Muskeln: den Bauch, einen Fuß, eine Hand, den Kopf, das Bein. Nach dem nächsten Black hat sich die Formation verändert: Aus den zwei getrennten Menschenhaufen ragen einzelne Arme und Beine hervor und bewegen sich leise wie Seegrashalme im Wasserstrom.
Wieder Black. Wie eine träge Löwenherde laufen die Performer nun im Vierfüßlergang über die Bühne, räkeln sich müde, kratzen sich, werfen sich übereinander, reiben sich kurz am anderen und beißen sich im schnellen Zweikampf, bis einer am Boden liegt.
Die letzte Szene hat alle zu einzelnen Felsen erstarren lassen. Unter leisem Windgeheul rühren sie sich nicht bis zum letzten Black. Die letzten 15 Minuten sollen nun wieder der Konversation gehören, diesmal jedoch in völliger Dunkelheit. Im Schutz der Anonymität soll das Gespräch offener vonstatten gehen können. Doch nur zögerlich kommt es beim Hamburger Gastspiel in Gange. Es gerät dann eher zu einem Publikumsgespräch mit Fragen nach Intention und Entstehung der Choreographie, während dessen einige Zuschauer den Raum verlassen.
Le Roy arrangiert lebende Skulpturen, bei denen die Nacktheit der menschlichen Körper das Rohmaterial für künstlerische, sich leise bewegende Bilder ist, die der Natur entliehen sind. Große, fast meditative Ruhe strahlen sie aus. Durch den Kontrast mit den gesellschaftlichen Formen des zivilisierten kommunikativen Austausches wird eine weitere Dimension angestrebt, deren Wirkung stark von dem jeweiligen Publikum abhängt. An diesem Abend bleib alles höflich, freundlich und ohne den intendierten Effekt der Offenheit.
Birgit Schmalmack vom 3.6.12