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Open for everything, Kampnagel
Auseinandersetzung mit allen Mitteln
Ein Weißer scheucht einen Dunkelhäutigen über die Bühne: "Tempo, Tempo!" Dieser soll nur per Muskelkraft ein Auto bis vor die Wellblechhütte schieben. Die Autotüren gehen auf und heraus quillen fast 20 Menschen. Das Rolltor der Hütte rauscht nach oben und hinter einem pompösen Quastenvorhang schreiten würdevoll vier dickbäuchige Männer hervor, die zu ihren Instrumenten gehen.
17 Roma vervollständigen die Compagnie Dorky Park von Canstanza Macras für ihre neuste Arbeit „Open for everything“. Klischees treffen hier auf Wirklichkeit, wenn auch eine inszenierte. So konfrontiert die Hippiefrau die Roma mit ihren positivistischen Vorurteilen über die Romantik des freien Wanderlebens in einer Großfamilie. Und die asiatisch-stämmige Tänzerin will Parallelen zwischen ihrem polyglotten Künstlerleben und dem der zwangsghettoisiserten Roma entdecken. Doch in den Erzählungen der Mitwirkenden wird klar, dass ihr Leben wenig mit Romantik sondern mit viel Kampf zu tun hat. Mit dem Kampf gegen Vorurteile, gegen Rassismus, gegen Ausgrenzung, gegen Armut, gegen Kriminalität, gegen Drogen und gegen Gewalt. Die Ausbeutung persönlicher Geschichten für die Bühne ist eine Gradwanderung. Macras versucht sie zu bewerkstelligen, indem sie auch die Lächerlichkeiten der Compagniemitglieder vorführt.
Doch Marcras Arbeit bestätigt auch positive Vorurteile: Selten hat eine Inszenierung mit „Laientänzern“ so hohes durchgängiges Können gezeigt. Wenn die Profis neben den Tänzern auf der Bühne zum Einsatz kommen, ist es eher eine Stil- als eine Niveaufrage. Besonders das körperbetonte, energiegeladene Durcheinanderwirbeln der Compagnie, das für sie zu ihrem Markenzeichen geworden ist, beherrschen alle Mitwirkenden gleich gut. Die Männer, alle im Breakdance sehr versiert, die Frauen eher im schnellen orientalischen Tanzstil geübt, ergänzten die Modern Dance Truppe perfekt zu quirligen, buntgemixten Bildern auf der Bühne. Der Drive der Musikband aus vier Profimusiker gab den passenden Rhythmus vor. Wenn er durch die wunderschöne Stimme der Sängerin bereichert wurde, kam melancholische Stimmung dazu. Doch Macras bleibt nicht bei einem harmonischen Weltkulturmix stehen. Zum Schluss gibt es eine große Keilerei zwischen allen Beteiligten.
Birgit Schmalmack vom 1.6.12