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The Gabriels: Election Year in the life of one fam

Hungry Foto: Joan Marcus


Bei den Gabriels in der Wohnküche

Mitten in der Wohnküche nimmt das Publikum bei der Familie Gabriel Platz. Der Anlass ist ein trauriger: Der Theaterautor Thomas ist nach längerer Krankheit gestorben. Seine dritte Ehefrau (Maryann Plunkett) und die im Haus wohnende Mutter (Roberta Maxwell) haben Besuch von dem Bruder(Jay O. Sanders),, seiner Frau (Lynn Hawley),, seiner Schwester (Amy Warren), und der ersten Ehefrau (Meg Gibson). Nach dem Begräbnis wärmen sie sich in der Wohnküche auf und bereiten gemeinsam das Abendessen vor. Während das Brot im Backofen backt, werden die Zutaten für das Ratatouille und den Apfel-Crips, den Thomas so liebte, geschnippelt. Jeder bekommt eine Schürze, einen Sitzplatz und ein Messer. So lässt es sich in Ruhe reden. Um Alltägliches geht es, um das Leben in einem Ort namens Rhinebeck nur 100 Kilometer vor New York und dennoch ganz weit von dem Leben der Reichen in Manhattan entfernt. Hier sitzen keine Trumpwähler, doch auch Hillary stehen sie skeptisch gegenüber. Sie gehört zu den Reichen, also zu den anderen, die nichts von ihrem Leben auf dem Land wissen.
Man fühlt sich wie bei einer amerikanischen Familie zu Besuch. Man darf ihren Gesprächen lauschen. Politisches und Privates mischen sich. Nicht nur die Reichen sind weit weg, sondern auch die Dringlichkeiten der politischen Entscheidungen. Hier ein Womens March? Kaum vorstellbar. "Hungry", so heißt der erste Teil einer Dreier-Serie, die das Public Theatre aus New York unter ihrem Leiter Richard Nelson im Wahljahr herausgebracht hat. In diesem Jahr, in dem vielleicht ein Frau hätte Präsidentin werden können, stellte Nelson in den Mittelpunkt seiner Stückeserie über die Familie Gabriel Frauen.

Der dritte Teil "Women of a certain age" findet direkt am Wahltag statt. An dem Tag, den keiner alleine verbringen sollte. Deshalb sind auch Karen und Joyce wieder nach Rhinebeck gefahren. Noch ist die Wahlentscheidung nicht bekannt. "Was machen wir, wenn Trump gewinnt?" "Dann nehmen wir uns an die Hand und springen von der Klippe!" Doch sie werden weiter machen. Wie sie gemeinsam auch versuchen mit dem Verlust von Thomas und dem des gemeinsamen Elternhauses klarkommen müssen. Um die Pflege der Mutter nach ihrem Schlaganfall und das Studium des Sohnes zu bezahlen, sehen sie zum Verkauf ihres Zuhauses gezwungen. Die Immobilienmakler stürzen sich auf das Haus im Ortskern. "Die Bussarde kreisen über uns", nennt es George.
Regisseur Nelson setzt in seinem hyperrealistischen, gemächlichen und sympathischen Theater neben all die Momente des Verlustes auch die des Trostes durch die Familie. Sie soll die Geborgenheit geben, die sonst Heimat und Identität vermittelt haben. Doch wird man sich noch mit diesem Amerika identifizieren können, das Trump aus ihm machen wird?
Birgit Schmalmack vom 9.6.17