Togetherapart, Kampnagel
Togetherapart, Kampnagel
Ironie, Humor und Teamgeist
Geschichten vom Chaos erzählen, in denen wider Erwarten ein Wunder geschieht, das hat sich das Ensemble von Marble Crowd in Moving mountains in three essays aus Island vorgenommen. Dafür brechen sie zu einer gemeinsamen Tour auf. Ausgerüstet mit allem, was man für eine Bergwanderung braucht. Zuerst erinnert ihr wortloses Improtheater eher an Slapstick mit Seilen, Stöcken und Wasserkanistern. Doch dann zaubern sie mit ihrer Wanderausrüstungen und viel Nebel eine hügelige Landschaft aus Seilen und Tüchern auf die leere Bühne und lassen ihre Geschichten Gestalt gewinnen. Ein Junge, der seine verschwundene Kuh in der Einsamkeit der isländische Weite sucht, sie tatsächlich wieder findet und dann von einem gefährlichen Troll bedroht wird. Ein Bergsteiger, der in eine Felsspalte stürzt und einen Ausweg vor dem sicheren Tod findet. Eine Frau, die sich selbst nach einer Trennung sucht und mit Hilfe von 500 Menschen wieder findet. Das Performance-Kollektiv Marble Crowd erzählt von den Möglichkeiten, die sich durch die Zusammenarbeit im Team ergeben. Mit ihrem unerschütterlichen Glauben an die Kreativität, die Gemeinschaft und den Humor begeisterte ihre Performance im Rahmen des Festivals Togetherapart das Publikum auf Kampnagel.
Nun wurden die The Olympic Games doch noch in Hamburg eröffnet. Dafür sorgte das italienische Choreographie-Duo Chiara Bersani und Marco D’Agostin auf Kampnagel. Ihre ganz eigene Form der Eröffnungszeremonie wirft ein besonderes Licht auf die Spiele, auch wenn die Disko-Musik wummert und die Ringe wie gewohnt strahlen. Ein Bodybuilder führt seine Muskelpakete unter dem Scheinwerferlicht vor. Er steht im Kontrast zu Bersani, die im Rollstuhl herein geschoben wird, um sich auf einem Minilaufbahn abzumühen, winzige Schritte vorwärts zu kommen. Sitzend auf einem Berg aus Babys ringt sie dann um die passende Worte für eine angemessene Eröffnungsrede, die aber so dialektisch ausfällt, dass jeder Ansporn in Frage gestellt wird. D’Agostin singt dazu in goldener Jacke "Imagine, there are no nations". Eine Tänzerin führt danach alle emotionale Zustände vor, die ein gestresster Olympionike durchstehen muss. Anspannung, Anstrengung, Enttäuschung, Freude, Trauer, Wut, Hoffnung, alles spiegelt sie auf ihrem Gesicht und in ihrem Körper wieder. Bis sie zum Schluss in einem zuckenden Tanz verfällt. Dann kommt der Muskelmann wieder zur Tür herein. Völlig abgekämpft bricht er auf der Bühne zusammen.
Die Messung der sportlichen Leistungen erscheint unter diesem Scheinwerfer-Blick von Bersani und D'Agostin wie ein Spektakel der Absurditäten. Wahre Leistungen werden nicht honoriert. Muskelpakete sagen nichts über die Leistungsfähigkeit des Athleten aus und der Nationalismus darf endlich wieder gefeiert werden. In Hamburg dürften Bersani und D'Agostin mit ihrer Dekonstruktion der olympischen Idee offene Türen eingerannt haben. So lieferten sie der ablehnenden Haltung der meisten Hamburger zu den Spielen in ihrer Stadt im Nachherein noch weitere gute Argumente.
Birgit Schmalmack vom 2.4.1