Penthesilea, Theaterfestival
Die Liebe ein Schlachtfeld
Er liegt in ihren Armen, an ihrer nackten Brust, sie beugt sich zu ihm herunter und streichelt sein Gesicht. Ein Bild, wie es inniger kaum sein könnte, wenn nicht das Blut in Strömen über seinen Körper laufen würde. Ein Eingangsbild wie ein Schlag. "Gebissen also wirklich? Tot gebissen? Nicht tot geküsst?" fragt sich Penthesilea im Selbstgespräch. Dann lässt sie ihn los. Leblos rollt er den Berg herunter.
Für sie, die Amazonen-Königin, die einem reinen Frauenvolk vorsteht, ist die Liebe zu einem Mann etwas, was in ihrem Wertekanon keinen Platz haben darf. Männer werden nur für die Fortpflanzung geraubt und hinterher getötet. Wie Liebe geht, weiß sie nicht. Wie Kampf schon. Als sie jedoch in einer Schlacht den jungen schönen Achill erblickt, entdeckt in sich ungeahnte Gefühle. Achill geht es ebenso: Er ist von der ungewöhnlichen Frau äußerst angetan.
Als er sie im Kampf bezwingt, glaubt er sich seinem Ziel schon nahe. Doch weit gefehlt: Penthesilea wird sich nie einem Mann hingeben, der sie bezwungen hat. Also behauptet er einfach, dass er der Unterlegene gewesen sei. Als sie die Täuschung bemerkt, wendet sie sich empört ab und er greift zu einem neuen Schachzug: Er fordert sie erneut zum Kampf auf, in der den jedoch unbewaffnet und völlig nackt zieht. Sie dagegen hetzt die Hunde auf ihn los.
"Penthesilea", spricht Constanze Becker ihren Namen Silbe für Silbe aus, oben auf dem steilen kahlen schwarzen Bühnenberg, auf dem sie ganz an der Spitze thront. Sie ist die Königin. Sie kennt ihre Rolle und Aufgabe, eigentlich. doch dann sah sie Achill und ihr Weltbild geriet durcheinander. "Sie, ich, ich , sie", versucht sie sich ihrer Rolle wieder zu bemächtigen. Sie will und muss hier diejenige sein, die bestimmt, denn sie ist die Herrscherin, auch über ihre eigenen Gefühle. Gerade als Frau hat sie sich diese Rolle hart erkämpft. Also macht sie sich gerade, richtet sich in ihrem gelben langen Raffrock hoch auf, schnürt sie ihr Korsett vor die nackte Brust und stellt sich Achill entgegen. Doch auch Achill ist es gewohnt nie zu verlieren. Und er wähnt sich in der naturgegebenen Überlegenheit des Mannes. Um so mehr reizt ihn diese überaus starke, schöne Frau. Noch denkt er, dass es reicht sie zum Schein gewinnen zu lassen.
Michael Thalheimer reduziert das Stück von Heinrich von Kleist auf drei Personen. Auf dem abschüssigen dunklen Berg (Bühne: Olaf Altmann) liefern sich Achill (Felix Rech), Penthesilea (Constanze Becker) ihre Liebesschlacht und eine Frau (Josefin Platt) steht unten als Berichterstatterin und Ratgeberin für beide Seiten zur Verfügung. Es beginnt und endet mit dem gleichen Bild der blutigen Vereinigung. Dazwischen entwickeln sich wortgewaltige Liebes- und Wortgefechte zwischen den zwei gleichstarken Gegnern. Ihnen ging es immer nur um Kampf, Sieg und Macht. Wo hat da die Liebe einen Platz? Lieben ohne zu Unterjochen scheint ihnen unmöglich. Für Achill war die Machtfrage sonst von vornherein geklärt; die Frau hatte sich zu fügen. Doch hier begegnet er einer Frau, für die das keineswegs in Frage kommt. Das reizt ihn noch mehr. Doch dass er hier tatsächlich eine Frau vor sich hat, die bereit ist auch denjenigen, den sie liebt, zu ermorden, kann er sich nicht vorstellen. Dieser Irrtum kostet ihn sein Leben.
Thalheimer hat mit den drei Darstellern die Idealbesetzung gefunden. Constanze Becker beherrscht alle Spielarten ihrer Rolle perfekt: die erotisch Sinnliche, die stolze Siegerin, die wütende Kämpferin und die mädchenhaft Suchende. Felix Rech ist ihr ein würdiges Gegenüber: ein gut gebauter Frauenheld, ein siegesgewohnter Göttersohn, ein jovial Entgegenkommender und ein sinnlich Liebender. Josefin Platt versteht es ihren Äußerungen mit ihren tiefen kraftvollen Stimme Gewicht zu geben, auch wenn sie das eng anliegende weiße Kleid und die breit übergemalten roten Lippen eher zu einer dramatischen Clownsfigur machen. Thalheimer schafft es mit diesen Schauspielern in dieser konzentrierten klugen Anordnung den Text zu einen spannenden Theaterabend zu erwecken.
Birgit Schmalmack vom 24.10.16
Er liegt in ihren Armen, an ihrer nackten Brust, sie beugt sich zu ihm herunter und streichelt sein Gesicht. Ein Bild, wie es inniger kaum sein könnte, wenn nicht das Blut in Strömen über seinen Körper laufen würde. Ein Eingangsbild wie ein Schlag. "Gebissen also wirklich? Tot gebissen? Nicht tot geküsst?" fragt sich Penthesilea im Selbstgespräch. Dann lässt sie ihn los. Leblos rollt er den Berg herunter.
Für sie, die Amazonen-Königin, die einem reinen Frauenvolk vorsteht, ist die Liebe zu einem Mann etwas, was in ihrem Wertekanon keinen Platz haben darf. Männer werden nur für die Fortpflanzung geraubt und hinterher getötet. Wie Liebe geht, weiß sie nicht. Wie Kampf schon. Als sie jedoch in einer Schlacht den jungen schönen Achill erblickt, entdeckt in sich ungeahnte Gefühle. Achill geht es ebenso: Er ist von der ungewöhnlichen Frau äußerst angetan.
Als er sie im Kampf bezwingt, glaubt er sich seinem Ziel schon nahe. Doch weit gefehlt: Penthesilea wird sich nie einem Mann hingeben, der sie bezwungen hat. Also behauptet er einfach, dass er der Unterlegene gewesen sei. Als sie die Täuschung bemerkt, wendet sie sich empört ab und er greift zu einem neuen Schachzug: Er fordert sie erneut zum Kampf auf, in der den jedoch unbewaffnet und völlig nackt zieht. Sie dagegen hetzt die Hunde auf ihn los.
"Penthesilea", spricht Constanze Becker ihren Namen Silbe für Silbe aus, oben auf dem steilen kahlen schwarzen Bühnenberg, auf dem sie ganz an der Spitze thront. Sie ist die Königin. Sie kennt ihre Rolle und Aufgabe, eigentlich. doch dann sah sie Achill und ihr Weltbild geriet durcheinander. "Sie, ich, ich , sie", versucht sie sich ihrer Rolle wieder zu bemächtigen. Sie will und muss hier diejenige sein, die bestimmt, denn sie ist die Herrscherin, auch über ihre eigenen Gefühle. Gerade als Frau hat sie sich diese Rolle hart erkämpft. Also macht sie sich gerade, richtet sich in ihrem gelben langen Raffrock hoch auf, schnürt sie ihr Korsett vor die nackte Brust und stellt sich Achill entgegen. Doch auch Achill ist es gewohnt nie zu verlieren. Und er wähnt sich in der naturgegebenen Überlegenheit des Mannes. Um so mehr reizt ihn diese überaus starke, schöne Frau. Noch denkt er, dass es reicht sie zum Schein gewinnen zu lassen.
Michael Thalheimer reduziert das Stück von Heinrich von Kleist auf drei Personen. Auf dem abschüssigen dunklen Berg (Bühne: Olaf Altmann) liefern sich Achill (Felix Rech), Penthesilea (Constanze Becker) ihre Liebesschlacht und eine Frau (Josefin Platt) steht unten als Berichterstatterin und Ratgeberin für beide Seiten zur Verfügung. Es beginnt und endet mit dem gleichen Bild der blutigen Vereinigung. Dazwischen entwickeln sich wortgewaltige Liebes- und Wortgefechte zwischen den zwei gleichstarken Gegnern. Ihnen ging es immer nur um Kampf, Sieg und Macht. Wo hat da die Liebe einen Platz? Lieben ohne zu Unterjochen scheint ihnen unmöglich. Für Achill war die Machtfrage sonst von vornherein geklärt; die Frau hatte sich zu fügen. Doch hier begegnet er einer Frau, für die das keineswegs in Frage kommt. Das reizt ihn noch mehr. Doch dass er hier tatsächlich eine Frau vor sich hat, die bereit ist auch denjenigen, den sie liebt, zu ermorden, kann er sich nicht vorstellen. Dieser Irrtum kostet ihn sein Leben.
Thalheimer hat mit den drei Darstellern die Idealbesetzung gefunden. Constanze Becker beherrscht alle Spielarten ihrer Rolle perfekt: die erotisch Sinnliche, die stolze Siegerin, die wütende Kämpferin und die mädchenhaft Suchende. Felix Rech ist ihr ein würdiges Gegenüber: ein gut gebauter Frauenheld, ein siegesgewohnter Göttersohn, ein jovial Entgegenkommender und ein sinnlich Liebender. Josefin Platt versteht es ihren Äußerungen mit ihren tiefen kraftvollen Stimme Gewicht zu geben, auch wenn sie das eng anliegende weiße Kleid und die breit übergemalten roten Lippen eher zu einer dramatischen Clownsfigur machen. Thalheimer schafft es mit diesen Schauspielern in dieser konzentrierten klugen Anordnung den Text zu einen spannenden Theaterabend zu erwecken.
Birgit Schmalmack vom 24.10.16