Der Stallerhof, Wiener Burgtheater

Der Stallerhof von der Wiener Burg by Anna Stöcher

Beppi in Love

Love will lift us up, singt Joe Cocker. Das ist Beppis Lieblingslied. Mit ihm träumt sie sich genauso aus dem Stallerhof weg wie mit den Hollywoodmärchen auf ihrem Winz-TV-Gerät. Beppi ist „zurückgeblieben“ und eine „Schande“ für ihre Eltern. Die streng katholischen Kleinbauern leben in ihrer kleinen engen Welt des Stallerhofes, die nur Arbeit, nochmals Arbeit, Ruf und Religion kennt. Auch der Knecht Sepp hat sich hier einzufügen. Wie Beppi hat er wenig Glück gehabt. Er wollte in die große Stadt und ist doch hier hängengeblieben. So schlurft er schwer gebückt von seinem ereignislosen Leben über die Bühne. Zwischen ihm und Beppi spinnt sich ein zartes Band der Freundschaft mangels Alternativen. Beide akzeptieren sich gegenseitig so wie sie sind, mit all ihren Schwächen. Sepp erzählt Beppi Märchen und erfreut sich an ihrer kindlichen Freude darüber. Dass Sepp die unschuldige, naive Lebenslust des jungen Mädchens dazu ausnutzt seine unerfüllten sexuellen Sehnsüchte zu stillen, nimmt Beppi als naturgegeben hin.
Regisseur David Bösch ist ein guter Bekannter in Hamburg. Hier hat er als Jungregisseur seine ersten Erfolge gefeiert. Nun kommt er mit einer Inszenierung an der Wiener Burg wieder mal für ein Gastspiel nach Hamburg. In der Rolle der Beppi bringt er die grandiose Sarah Victoria Frick mit. Sie alleine schon macht die sensible, schnörkellose, hoch konzentrierte und ruhige Inszenierung zu einem Erlebnis. Das Grauen des Lebens in einer derartigen gedanklichen Enge wie dem Stallerhof ist in jedem Moment spürbar. Beklemmung breitet sich über die Zuschauerreihen aus, aber auch Achtung vor dem Lebensmut dieser ganz besonderen jungen Frau. Auch ihre Mitspieler Branko Samarovski und Barbara Petrisch spielen überzeugend die verhärmten Eltern und Johannes Krisch den verbitterten, liebevollen, dennoch aufbegehrenden und eigensinnigen Sepp mit einem Charme jenseits der Kriterien äußerlicher Vorzüge. Ein dichter, spannender Abend innerhalb des Hamburger Theaterfestivals.
Birgit Schmalmack vom 12.10.12