Zonck, New Hamburg
Mitten aus dem Leben
Draußen ist die Arbeitsleistungsgesellschaft. Hier aber in der Eckkneipe "Zonck" ist man frei. Hier darf man sich der Normierung der Außenwelt verweigern und dafür Anerkennung bekommen.
Der Mikrokosmos der Eckkneipe "Zonck" auf der Veddel ist im Rahmen des Festivals "SoliPolis" zum Miterleben freigegeben. Mitten unter den Originalen der Elbinsel, die sich in der Kneipe an den Gleisen und der früheren Zollgrenze trifft, sitzen die Zuschauer. Manch eine oder einer von ihnen hat einen Cowboyhut auf den Kopf gestülpt bekommen. So dürfen sie sich aufgenommen in die Zonck-Saloon-Familie fühlen. Manch einer sei hier schon durch die Tür gekommen, der vor lauter Einpassung in die Arbeitswelt nur noch 15 cm groß war, oder manch einer, der vor lauter Wut so aufgeblasen war, dass er kaum noch durch die Tür passte, erklärt der Wirt. Doch durch die liebevolle Pflege mit einem Bier, einer Gratis-Wurst und aufmunternde Worte fanden auch diese wieder zur Normalgröße zurück. Nun kommen sie ins Zonck um abzuhängen, zu feiern und sich gegenseitig ihrer Menschlichkeit ihrer Existenz außerhalb der Bewertung durch ihre Verdienstbescheinigung zu versichern.
Doch dann kommt plötzlich ein Fremder zur Tür herein. Der gepflegte Westernheld liefert sich ein Westernfilm-Duell mit dem Wirt Zonck. Damit sind die Fronten geklärt. Der Fremde erklärt die Arbeit zum sinnstiftenden Element, während Zonck immer noch von der Freiheit der Arbeitslosigkeit schwärmt. Die oft beschworene Harmonie beginnt zu bröckeln. Jenny träumt offen vom frühen Weckerklingeln, vom Hasten zur S-Bahn und der Routine eines stupiden, aber Rhythmus gebenden Jobs. Rabea lässt sich gerne zu einem flotten Tänzchen mit dem gut aussehenden Fremden verführen und der Keyborder Alexander Schöppl fordert für seine Musikdienstleistung flugs, wenn schon nicht Geld, so wenigstens ein Dankeschön und Respekt.
Den Schauspielern des Schauspielhauses (Josefine Israel, Michael Weber, Rabea Lübbe) stehen echte Veddeler (Benjamin Nazemi, Jürgen Schnetz, Erkan Sahin, Karsten Löffler) als Experten zur Seite. Mit ihnen zusammen haben sie unter der Regie von Paulina Neukampf die Charaktere und Geschichten aus dem Zonck entwickelt. Sheriff und Auge, Jimmy und Jenny, sie alle sitzen mit am Tisch. Mit ihrer Originalität bürgen sie für Authentizität. So bleiben die Geschichten nah dran an den Inventar einer echten Eckkneipe auf der Veddel.
In "Zonck" entsteht ein liebevoller Bilderreigen über eine Kneipe unterhalb der wirtschaftlichen Effektivität. Dabei werden auch die Streitpunkte nicht ausgespart, aber nur so weit humorvoll ausgetragen, dass sie mit einem Bier oder einer Wurst gelöst werden können.
Birgit Schmalmack vom 20.9.18