Die Opferung von Gorge Mastromas, Ernst Deutsch Th

Die Opferung von Gorge Mastromas Copyright: Oliver Fantitsch vom Ernst Deutsch Theater

Feigheit oder Güte?

Ein lockerer Stehempfang. Man unterhält über einen eigentlich völlig durchschnittlichen Mann: über Gorge Mastromas. Denn seine Karriere war alles andere als gewöhnlich. So lassen sie wichtige Stationen seines Lebens Revue passieren und stellen immer wieder eine Frage: „Feigheit oder Güte?“ Was hatte ihn an seinen Wegkreuzungen, die eine Entscheidung von ihm forderten, geleitet?
Zunächst schien der Weg für Gorge klar vorgezeichnet zu sein. Stets entscheidet er sich für die Güte, auch wenn sie zu seinen Lasten geht. Er hält treu zu den Loosern in seiner Umgebung, auch wenn er sich damit ebenfalls auf der Verliererseite positioniert.
Doch dann geschieht die Wendung. Die Abendgesellschaft (Markus Knüfken, Christian Meyer, Jörg Seyer, Wanda Perdelwitz) schlüpft in die Rollen, um die entscheidende Szene durchzuspielen. Gorge (Julian Mehne) ist mittlerweile leitender Angestellter in einem großen Unternehmen. Sein Chef steht kurz vor der Insolvenz und bittet Gorge um seinen Rat: Die Firma einer Heuschrecke zum Kauf überlassen oder in die Pleite gehen? Gorge rät wider besseres Wissen zum Verkauf, denn er erkennt und ergreift zum ersten Mal die Chance zum eigenen Nutzen. Er wird von der Heuschreckenfirma mit einem Posten belohnt. Langsam beginnt er zu verstehen, wie Erfolg, Macht und Aufstieg funktionieren. Und er nutzt seine neuen Kenntnisse immer gnadenloser aus. Wahrheit wird für ihn dasselbe wie Lüge; nur ein Mittel zum Erreichen seiner Zwecke.
So kommt er zu Reichtum und Einfluss, wie die Abendgesellschaft weiter berichtet, doch eins fehlt ihm weiterhin: Die Liebe ist und bleibt eine Leerstelle in seinem Leben. Seine zunehmende Skrupellosigkeit hat seine Beziehungsfähigkeit zerstört. Doch dann trifft er auf eine Frau, die er unbedingt haben will, doch erfolglos. Ihr Nein fordert ihn nur heraus, also erlügt er sich die Liebe, für die er vorgibt selbst seine Firma opfern zu wollen. Erst als es zu spät ist, wird er erkennen, dass es doch ein Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge gibt: Eine Liebe braucht Vertrauen und Ehrlichkeit, doch dazu ist er nicht mehr in der Lage.
Dennis Kelly hat ein Drama über einen zunächst gütigen Mann geschrieben, der sich vom Heuschreckenkapitalismus ködern lässt. Er opfert sein Menschsein und seine Werte, um zur Seite der Erfolgreichen zu gehören.
Das klingt moralinsauer, ist es aber keineswegs. Der Autor Kelly beherrscht sein Metier und der Regisseur Peter Lotschak seines. Elegant und leichtfüßig hat er Kellys spannende Beispielgeschichte im lockeren Small-Talk-Ton inszeniert. Die Schauspieler springen versiert in die verschiedenen Spielszenen und überzeugen sowohl im lockeren Plauderton wie in der analytischen Darstellung ihrer Charaktere. Ein in bester Well-Made-Play Art inszeniertes Stück, das en passant Lebensweisheiten vermittelt.

Birgit Schmalmack vom 1.2.16







Zur Kritik von

NDR 
godot