Zur Kritk von
Abendblatt |
Der talentierte Mr. Ripley
Ein neues Leben beginnt
Ripley ist ein armes Würstchen. Quer über die weißen Treppenstufen hingegossen liegt er kopfüber da. Wenn er steht, knickt er stets leicht ein, um sich ein wenig kleiner als er ist zu machen. Viel Selbstbewusstsein hat ihm sein bisheriger Lebenslauf nicht geschenkt. Doch auf einmal scheint ihm der Zufall in die Hände zu spielen. Einen ehemaligen Schulkollegen soll er im Auftrag des reichen Unternehmer-Vaters zur Rückkehr aus Europa in die Vereinigten Staaten bewegen. Eine Reise nach Europa plus Spesen inklusive lockt – dieses Angebot lässt sich Tom nicht entgehen. Im sonnigen Italien schleicht sich Tom in Dickies Leben ein. Ganz neue Perspektiven tun sich für ihn auf. Er schnuppert den Duft der Schönen und Reichen und will immer mehr davon.
Regisseur Harald Weiler liest die Figur des Ripleys aus Patricia Highsmith Roman anders als gewohnt. Bei ihm ist er nicht der selbstbewusste Aufschneider, der im Handumdrehen die Leute für sich gewinnt, sondern der zwilichtige, mit Komplexen behaftete, bisher zu kurz gekommene Underdog, der seinen Neid und Hass, seine Wut und Aggressivität nur mühsam unter Zaum halten kann. Dieser Möchtegern-Emporkömmling will auch seine Scheibe vom Lebenskuchen haben. Unterdrückte Lebenssehnsüchte brechen sich in aller Gewalttätigkeit ihre Bahn. So ein Mensch ist zu allem bereit, um das neu gewonnene Lebensniveau unter allen Umständen zu behalten. Auch einen Mord. Dieser Ripley begeht ihn nicht aus kaltem Kalkül sondern aus seiner angestauten Lebenswut.
Josef Heynert offenbart die verschiedenen Facetten dieses Charakters in sekundenschnellen Wechsel. Er lässt in die inneren Abgründe Ripleys blicken, die seine schnell errichtete Fassade verbergen sollte: seine armselige Bedürftigkeit, aber auch seine gefährliche Unberechenbarkeit. Eine schnörkellose, klar fokussierte, psychologisch interessant analysierende Arbeit am Altonaer Theater, die Mut zu eigenen Akzenten bewies.
Birgit Schmalmack vom 22.3.14