Othello - Liebe is was für arschgeile Penner

Othello vom Theater der Keller Foto by Meyer Originals

Theater Haus im Park:

Die Macht der Sprache
Ein Fremder - ein „Schoko mit Wurstlippen“ - ist der neue General, der Zypern gegen die einfallenden Türken verteidigen soll. Nicht nur seine Ernennung sondern auch die Liebesheirat des älteren Mannes mit der schönen jungen Desdemona ruft die Neider auf den Plan. Als Othello dann auch noch den smarten Cassio statt den cleveren Jago zu seinem Leutnant bestellt, schmiedet letzterer sofort seine Umsturzpläne.
Nur mit Hilfe seiner Sprache tröpfelt Jago dem treu liebenden General das Gift der Eifersucht ein, bis dieser rasend morden lässt und selber mordet. Othello tut das ohne jeden tragfähigen Beweis, allein die Macht der Worte wirft den starken, erfahrenen Mann zu Boden.
Wie das Theater der Keller aus Köln dieses unter der Regie von Stefan Nagel in einer sprachgewaltigen Radikal-Fassung von Zaimoglu und Senkel auf die leere Bühne des Theaters im Park bringt, ist abstoßend, aufwühlend, atemberaubend und mitreißend zugleich. Zwei Dutzend silberne Herzensballons sind die einzige Bühnenausstattung. Zuerst schweben sie bis zur Decke, zuletzt liegen sie zerdrückt, zerplatzt und zerfetzt am Boden. Ihnen ist wie der Liebe und dem Vertrauen die Luft ausgegangen.
Jago (Makke Schneider) ist ein Demagoge, der wie ein Chamäleon unauffällig in jedes Sprachumfeld hineinschlüpfen kann. Den tumben Radrigo überzeugt er mit obszönem Gangsterjargon, seiner Frau versucht er mit Prolo-Snack Paroli zu bieten, Desdemona säuselt er ins Ohr, den General manipuliert mit gezielten Verdächtigungen und die Fantasie ankurbelnden Perversitäten. Desdemona (Sarah Härtling) ist ein Girlie, das mühsam darum kämpft, nicht nur auf sein niedliches Äußeres reduziert zu werden. Emilia (Viktoria Klimmeck) stellt sich als strategischer heraus, als man es ihrer naiv gespielten Blondheit zugetraut hätte. Radrigo wirkt etwas zu überzogen blöde, um wirklich interessant zu sein, dagegen hat Cassio (beide von Emanuel Fleischhacker gespielt) genügend Schlauheit, Schleimigkeit und Ergebenheit für eine spannende Doppelbödigkeit.
Tolles Gastspiel im Rahmen der Privattheatertage, dem man volle Ränge gewünscht hatte.
Birgit Schmalmack vom 5.6.12