Hoimetaberau

Hoimetaberau von der tri-bühne Stuttgart by Lena Fritschle

Schwäbische Selbstverwirklichung

Zuerst fehlt Hans und Albert (Marcus Michalski, Reinhold Ohngemach) nur der dritte Mann beim Skat. Die zwei Grantler haben alle Kandidaten erfolgreich mit ihrem Genöle vergrault und die bisher entwickelten Apparaturen aus Rechen mit aufgesteckten Karten überzeugen sie nicht. Also fällt ihr Blick auf die Maschine in ihrer gemeinsamen Werkstatt. Könnte „d’r Sell“ nicht zum dritten Mann in ihrer Kartenspielrunde umfunktioniert werden? Doch dann stellen die beiden Tüftler fest, dass sie daran scheitern ihm das „Schwätzen“ beizubringen, und widmen sich wieder ihrer Ursprungsidee: D’r Sell soll fliegen können. Alle Kabel werden mit fröhlichem Pfeifen verbunden, der Schalter umlegt, aber es passiert nichts. Vielleicht doch lieber eine Maschine zum Erzeugen von Heimaterde? Die wird schließlich von vielen Leuten so dringend benötigt. Wenn Flüchtlinge, Vertriebene oder Migranten sich einfach ihre eigene Portion Heimatgefühl erschaffen könnten? Doch der Ältere bleibt skeptisch: Dieses übertriebene Gewese um die Heimat scheint ihm vorgestrig und suspekt. Aus der Heimaterde-Maschine zieht der Jüngere als Ergebnis ihres Mahlvorgangs einen Schraubenzieher; wenn der Mensch basteln kann, ist er eben zuhause.
Für die beiden schwäbische Querköpfe in ihrer grünen Fleeceweste und ihrem grauen Arbeitskittel stimmt das auf jeden Fall. Wenn der Schwabe tüfteln und handwerkern kann, ist seine Welt in Ordnung. Ihr Geschöpf, d’r Sell, ist ihnen Selbstverwirklichung genug. Als sich zum Schluss die Propeller der Ventilatoren an ihrem Flugapparat drehen und die Beiden selig in ihren Himmel der Bastler abheben, hat sich ihr Lebenssinn erfüllt.
Die „schwäbische Tüftlersonate“ von Franz X. Ott lebt unter der Regie von Christine Gnann von Sprache, Musik und Eigensinn. Die beiden Schwaben spielen mit ihrer Mundart, dass es auch für Norddeutsche verständlich ist. Man muss sich nur ein Equivalent-Paar auf plattdeutsch vorstellen. Die Eigenbrötler bedienen sich der schwäbischen Volkslieder, um sie ironisch unterfüttert für ihre Zwecke zu gebrauchen. Und sie nutzen ihre eigenwillige Mundfaulheit, um eine dadaistische Philosophie zu entwickeln.
Ein tolles Gastspiel der Theater tri-bühne aus Stuttgart, das hintersinnig, amüsant und tiefgründig unterhielt und anregte. Ein würdiger Abschluss der diesjährigen Privattheatertage.
Birgit Schmalmack vom 10.6.12