Der Kampfangler erobert die strenge Studienrätin



Es ist ein besonderes Ereignis: Endlich dürfen sie wieder auf die Bühne. "Die Gorillas" feiern auf im Ratibortheater die Premiere ihres Comebacks nach dem Shutdown. Manches ist anderes als gewohnt: Nur zwei SpielerInnen ( zur Comeback-Premiere: Luise Schnittert und Michael Wolf) und der Live Musiker Felix Raffel dürfen auf die mit Plexiglas geschützte Bühne. Die Zuschauer sitzen in Zweier- oder Dreiergruppen locker über das Podium des Kreuzberger Theaters verteilt. Doch eines ist gleich geblieben: Trotz der erschwerten Bedingungen schaffen es die sympathischen Drei spielend eine behagliche Stimmung zu erzeugen. "Gute Wahl" heißt ihr Programm und genau das ist das Motto. Drei Genre stehen heute zur Auswahl: ein Italo-Western, ein Schlagerfilm und ein Thriller. Für die Zutaten sind die Zuschauer gefragt. Sie bestimmen durch ihre Zurufe die Personen, die Orte und mögliche weitere Wunsch-Ingredienzien der Szene, die die Drei Sekunden später im spontanen Zusammenspiel kreieren.
Die Fliege surrt, der Wüstenwind rauscht, die Saloontür schwingt, der einsame Mann im schwarzen Mantel kommt schweigend herein und die Mundharmonika sendet ihre lang gezogenen Töne: Schon ist die Atmosphäre eines Sergio Leone-Filmes eingefangen. Hier sind Profis am Werk. Ebenso schnell switchen sie in die Schlager-Schnulze, greifen zum Mikro, wenn der Mann an den Tasten das Signal zum Erhöhung der Schmalzfaktors gibt und stimmen den nächsten spontan erfundene Song an. Das letzte Genre des Psycho-Thriller erschafft schnell die düstere Atmosphäre des Hafens, doch der Gruseleffekt will sich nicht so recht einstellen. Kein Wunder, denn die Reaktion des Publikums ist ein wichtiger Mitspieler des Impro-Theaters. Und deren Begeisterungsstürme nach dem perfekt imitierten Schlagerfilm waren so euphorisch, dass ihre Auswirkungen sich wohl noch in die nächste Szene hinein mogelten. Die Gorillas treffen die Stimmungen meist genau. Und wenn sie den Thriller doch eher an den Schlagerfilm anlegen, geben sie das sofort selbstkritisch zu.
Dass der Schlagerfilm die Endausscheidung gewann, war zu erwarten. In der Schlussszene seigerten sich die Drei bis zum Fall der Studienrätin in der Karpfenteich, aus der sie der Sportlehrer als geübter Kampfangler retten musste und damit als heldenhafter Eroberer von der Bühne gehen konnte. Begeisterter Applaus nach einem gelungenen Comeback für die Gorillas., Ihr Kalauer im Schaukasten des Foyers sollte recht behalten: Sie machen "Spaß trotz Plexiglas".
Birgit Schmalmack vom 9.7.20




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Ratibortheater