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Abendblatt |
Am schwarzen See
In der Vorhölle gefangen
Der erste gemeinsame Abend der zwei Paare erschien wie ein Versprechen. Else (Anna-Maria Kuricova) hoffte nach den vielen Karriere-Umzügen ihres Mannes John (Markus Frank) endlich angekommen zu sein und Freunde gefunden zu haben. Ihr überaus fürsorglicher Gemahl blieb zwar skeptisch, ließ sich aber für seine Frau gerne auf den Kontakt mit den besten Kunden seiner Bankfiliale, dem Brauereibesitzerpaar Cleo (Julia Weiden) und Eddy (Konstantin Graudius) ein. Eddy wiederum warf sich mit Elan und voller spontaner Lebensfreude in den Abend und sorgte dafür, dass alle am nächsten Tag einen dicken Kater hatten. Cleo dachte möglicherweise als weitblickende Geschäftsfrau eher an die Vorteile für den nächsten Kredit, aber erfreute sich aber auch an dem schönen Abend „Am schwarzen See“, auf den sie gemeinsam hinausruderten. Mittlerweile sind vier Jahre ohne Kontakt zwischen den vier ehemaligen Freunden vergangen. Ein Verlust hat die beiden Paare voneinander fortgetrieben und zugleich aneinander gekettet: Ihre beiden 15-jährigen Kinder Nina und Fritz haben zusammen auf dem See Selbstmord begangen.
Die Vier kämpfen miteinander um mögliche Erkenntnisse über Ursachen, Gründe und Schuld. Fast alle Fragen bleiben unbeantwortet. Die Eltern müssen sich eingestehen, dass sie wenig von ihren eigenen Kindern wussten. In ihrem kryptischen Abschiedsbrief schrieben diese nur: „Das hier gefällt uns nicht, wir gehen fort.“ Seit diesem Postulat steht über dem ganzen Leben der Eltern ein großes Fragezeichen. Wenn die Kinder sich dem Leben verweigern, beziehen sie auf drastische, endgültige, verneinende Weise zum Leben der Eltern Stellung.
„Ihr könnt bei uns bleiben...“, bietet Cleo den beiden anderen an. Eine verzweifelte hilflose Zwangsgemeinschaft ist hier versammelt, schuldlos schuldig in einer Art Vorhölle gefangen, voller unerfüllbarer Sehnsucht auf die Erlösung von ihren sich stetig im Kreis drehenden Gedanken.
Harald Weiler ist dem neuesten Text von Dea Loher in dessen ungewohnt kleiner, hochkonzentrierter Form und Fokussierung auf vier Personen gefolgt. Weiler gibt den vier Personen klare Charakterzuschreibungen. Else ist die weichherzige Herzkranke, die den wahren Gefühle gerne auf den Grund kommen möchte. Cleo die streng kalkulierende Geschäftsfrau, der das Leben verhärmte Züge ins Gesicht gegraben hat. Eddy der immer gut gelaunte Lebemann, der sich ausschließlich im Jetzt verschwenden möchte. John der Banker, der alles richtig gemacht hat und dennoch vor den Scherben seines Lebens steht. Auf die vielen verwirrenden Subebenen, die Lohers hintergründiger, vielschichtiger Text noch bereit gehalten hätte, verzichtet diese Inszenierung in Winterhude wohlweißlich.
Birgit Schmalmack vom 25.11.13