Party am Rande des Abgrunds
Fünf dramatisch schwarz geschminkte Damen in silber-schwarzen Partykleidern stehen wie zu einem Party-Smalltalk zusammen. Doch sie werden nicht den üblichen Tratsch austauschen. Ihre Themen sind eher von der Sorte, dass sie Schwangeren, Herzkranken und Minderjährigen zum Verlassen des Theaterraumes raten: Sie reden von der Kriegsgesellschaft im Kosovo, über die versuchte Aufarbeitung des Krieges durch ausländische Vertreter, über die Bomben der Amerikaner und der Europäer, über Hinrichtungen von ehemaligen Herrschern und über den Handel mit Organen von Kriegsgefangenen. Minutenlang hetzen die fünf Damen in einer Szene mit einer Niere über die Bühne. "Lola rennt" lässt grüßen. Ist sie die Niere eines Schwarzen oder eines Weißen, eines Serben oder eines Albaners? Sehr wichtig in der Beurteilung ihres Wertes! Immer wieder wird eine gewisse Carla del Ponte auftauchen, die sich einmal einen Vanilla Chai Latte bei Starbucks in Pristina bestellt, aber ansonsten mit ihren Anklagen als Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs gegen die Kriegsverbrechen in Jugoslawien und den vermeintlichen Organhandelskandalen beschäftigt ist und daran scheitern wird. Doch auch Mutter Theresa, Bill Clinton, Madeleine Albright und Marina Abramovic tauchen auf der glitzernden Partyfläche auf. Immer wird zwischendurch ein kesser Charleston aufs Parkett gelegt, doch in kompletter Stille. Nichts als das Klacken der Absätze ist zu hören. Erst ganz am Ende ertönt die passende Musik dazu. Regisseur und Choreograph Jochen Roller hat den Text von Jeton Neziraj in einen Kunstrahmen gesetzt, der ihn aus der ironischen Distanz betrachtet. Das passt sehr gut zu dem Duktus des Textes, denn auch er spielt geschickt mit Ironie und ständigem Perspektivwechsel. Doch den Text quasi von dämonischen Charity-Damen der High Society spielen zu lassen, die mal wieder für einen guten Zweck Geld bei einem coolen Event eintreiben wollen, setzt noch einmal einen drauf. Ein Abend, der verführt, auf etliche falsche Fährten lockt, der Leichtigkeit vortäuscht und inhaltlich harter Tobak ist. Ein Highlight des Krass-Festival in Sachen Hintergründigkeit - sowohl im Hinblick auf die verwendeten Theatermittel, die variantenreiche Sprache, die beiläufig einfließenden Informationen und den intelligent eingefädelten Standort-Switch der Zuschauer. Birgit Schmalmack vom 1.5.17
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