Furioser Energieausbruch
Ohne jede Bewegung knien die neun Tänzerinnen auf dem Boden. Noch in Wartehaltung, aber schon zum Sprung bereit. In ihrer scheinbaren Ruhe liegt schon die Vorahnung der kommenden Anspannung. Doch noch heißt es warten, sowohl für die Zuschauer wie für die Akteurinnen. Nur langsam schieben sich Hände, Beine und Oberkörper nach vorne. Hörbar atmen sie ein und aus. Wie von Hydraulikschläuchen angetrieben bewegen sie sich roboterhaft fort. Ihr eigener Atem im Rhythmus der Maschinemusik. Von außen gesteuert sind die Frauen. Der Antrieb kommt erkennbar nicht von ihnen selbst. Zu abgehackt sind ihre Bewegungen. Getrieben wirken sie, fremdbestimmt. Obwohl sie als Gruppe auftreten, sind sie noch keine Gemeinschaft, die sich gegenseitig stärkt. Die Gesellschaft zwingt sie in Haltungen, die alles von ihnen fordern, sie sich bis zum Umfallen verrenken lässt und alle Energie raubt. Doch allmählich werden die Atemstöße nicht nur vor Anstrengung stoßhafter, sondern vor stetig anwachsender Wut. Schon stehen die ersten der Frauen zitternd vor Kampfesbereitschaft wie Boxerinnen im Ring, wenn der nächste Vorstoß gegen die Gegnerin bevorsteht. Als alle in diese gemeinsame Position gefunden, setzen sie zum lange erwarteten Sprung an, gegen das Publikum. Hier hätte die neue Produktion der Sticky Trace Company zu Ende sein können. Doch mit unnachahmlichen Gespür für Tempi, Brüche und Spannungen lässt die Choreographin Uta Engel die Frauen-Company danach erst zu Zweierkämpfen untereinander antreten, dann zu einem furiosen Energieausbruch zusammenfinden und zum Schluss wieder zum Beginn des Abends zurückkehren. Dieser Abend bietet alles, was ein faszinierender Tanzabend haben muss: Ein in jeder Sekunde präsentes Ensemble, eine vielschichtige Erzählstruktur, eine spannungsreiche Inszenierung, eine energiegeladene Umsetzung und viele Fragen, die auch nach dem jubelnden Schlussapplaus noch für Stoff zum Nachdenken sorgen. Birgit Schmalmack vom 18.3.16
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