Wi sünd de NeŽen, Ohnsorg
Wi sünd de NeŽen, Ohnsorg
Foto: Oliver Fantitsch
Generationsübergreifende Sinnkrisen
Anne hat die Kündigung ihrer Wohnung erhalten. Eine neue kann sie sich bei ihrem Gehalt als sozial engagierte Biologin in der Großstadt nicht leisten. Da kommt ihr eine Idee: Warum nicht die WG aus Studententagen wiederaufleben lassen? Schnell hat sie den Kontakt zu Eddie und Johannes hergestellt, eine Wohnung ist gefunden und sie schleppen ihre Kisten in die Dreizimmer-Altbauwohnung. Über ihnen ebenfalls eine WG, aus drei Studenten. Doch die wirken total verspannt und spießig, statt aufgeschlossen und mit Lust auf gemeinsames Feiern ausgestattet. Wenn unten mal die Flaschen kreisen und die Musik aufgedreht wird, klopfen sie gleich mit dem Besenstiel auf den Boden. Denn im Gegensatz zu den früheren 18-Semester-Studenten sind diese gezwungen ihr Studium in der Regelstudiendauer zu beenden. „Wenn ihr damals ein bisschen flotter gewesen wärt, dann müssten wir heute nicht über Regelstudienzeiten und Studiengebühren diskutieren“, schleudert einer von ihnen den drei Neuen ins Gesicht. Doch die haben nicht nur Probleme mit der überfleißigen, verkrampften Streber-Generation über ihnen, sondern auch untereinander. Sollte es doch nicht so einfach sein, die Jugend noch einmal aufleben zu lassen und verpasstes Leben wieder reinzuholen? Kann es sein, dass die von oben recht haben, wenn diese behaupten, dass sie nur so ackern, damit sie nicht enden, wie die drei unter ihnen, die sich ihren Lebensunterhalt in einer Großstadt nicht mehr leisten können?
Regisseurin Nora Schumacher hat den Erfolgsfilm „Wir sind die Neuen“ von Ralf Westhoff gekonnt auf die Bühne des Ohnsorgtheaters gebracht. Von München nach Hamburg versetzt und ins Plattdeutsche übertragen, thematisiert das Stück den Generationenkonflikt und hinterfragt Zielsetzungen und Enttäuschungen von Lebensvorstellungen auf völlig unangestrengte Weise. Dieser Abend unterhält aufs Beste, witzig, hintergründig, liebevoll und intelligent. Das liegt zum einen an dem wunderbar harmonierenden Ensemble. Konstantin Graudus ist ein herrlich grantelnder Luftgitarrenspieler mit Erfahrungen im „Morsloch“-Sein. Ole Schloßhauer mimt überzeugend den sozial engagierter Alt-Achtundsechziger mit John Lennon-Brille und Birte Kretschmer die liebevolle Schleiereulen-Aktivistin, die auch hier den Laden zusammenhalten will. Doch auch die obere Etage offenbart mit Flavio Kiener, Nele Larsen und Lara-Maria Wichels authentisch, dass sie nicht nur ihre Schuhe, sondern auch ihre ungeklärten Lebensfragen sorgsam verstaut haben. Die scheinbar einfache Bühne (Stephanie Kniesbeck) aus zwei nur leicht versetzten, offenen Etagen erweist sich als hervorragend geeignet, um alles bisher Verborgene langsam offenbar werden zu lassen. Ein Wohlfühlabend mit Tiefsinn.
Birgit Schmalmack vom 15.11.25
hamburgtheater - Kritiken für Hamburg seit 2000
