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OUR FUTURE, Lichthof

Our future, Lichthof

Pressefotos: Julie Nagel

Gemeinsam die Stimme erheben


Es ist eine fragile Landschaft, die sich hier auf der Bühne des Lichthofs entspinnt. Biegsame Stäbe sind mit Schnüren zu einem Parcours verspannt worden (Bühne & Kostüm: Sara Wendt.) Er wird zu einem Sinnbild für die Frage, die die Tänzerin Laura Schönlau stellt: Was könne man noch tun, angesichts der vielfältigen Herausforderungen der Gegenwart? Speziell als Jugendliche, für die diese Herausforderungen auch ihre Zukunft bestimmen werden? Schönlau will erstmal stellvertretend für sie nichts machen und legt sich demonstrativ auf den Boden. Doch lange hält es sie da nicht. Mit Gesten und Haltungen des Abwartens illustriert sie ihr vorgebliches Nichtstun. In immer schnellerer und ungeduldigerer Abfolge. Doch die Umstände gestatten auch das eigentlich nicht. Ihre Bewegungen bekommen etwas Wütendes und Kämpferisches. Sie boxt sich buchstäblich durch ihren instabilen Parcours, bis sie schließlich an einer Stelle landet, die wie eine schmale Zelle aus Schnüren und Stäben besteht. Sie greift immer wieder nach einzelnen von ihnen, um sie in Schwingungen zu versetzen. So lange, bis die Konstruktion in sich zusammenbricht. Sie versucht zu reparieren, was noch zu retten ist. Doch das Ergebnis überzeugt sie nicht, also greift sie zu einer großen Rolle Schnur und steigt bis in die hinterste Reihe der Tribüne. Dort bittet sie zwei Zuschauende mitanzupacken und dem Arrangement auf der Bühne Halt zu geben. Und wirklich: Es erwächst zu neuer Höhe.

Für „our future“ hat das Team new trouble unter der Leitung von Antje Velsinger mit vielen Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren gesprochen und ihre Stimmen aufgenommen. Ihre Beobachtungen, Ideen, Wünsche und Befürchtungen werden im Original zu einem Teil der Soundskulptur (Julia Krause), zu denen Schönlaus Körper den Ausdruck findet. Zusätzlich leiht sie den Jugendlichen auch immer wieder ihre eigene Stimme, indem sie deren Texte in ihre Bewegungen miteinfließen lässt. Obwohl sie ganz alleine auf der Bühne ist, wird sie so zum Sprachrohr vieler. So lebt diese Arbeit von der eindrucksvollen Präsenz dieser Performerin, die mit ihrem sehr authentisch wirkenden Spiel und der emotional sprechenden Choreographie in die Stimmungslagen der Jugendlichen eintauchen lässt.

Doch was jetzt, wenn die Lage insgesamt wenig rosig erscheint, weil die Erwachsenen anscheinend ihrer Verantwortung für die nächste Generation nicht gerecht werden? Wie können wir uns gegenseitig Mut zusprechen, wenn wir uns machtlos fühlen? Diese Frage steht am Ende. Schönlau schlägt vor: Lasst uns gemeinsam murmeln. Zuerst ist der Chor aus der Performerin und den Zuschauenden, der sich leise zum Handeln anspornt, noch sehr zaghaft. Doch im gemeinsamen Flüstern findet er zu immer größerer Stärke. Ein versöhnlicher Schluss in fragilen, instabilen Zeiten. Oder sollte man doch lieber einen zuvor gehörten Vorschlag einer Jugendlichen umsetzen, damit sich durchgreifend etwas ändert? „Man sollte das Wahlrecht für Rentner*innen abschaffen!“ Damit endlich die Zukunft mehr das Handeln bestimmt. Für eine Zukunft, die das Label „our future“ verdient.

Birgit Schmalmack vom 7.11.25

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