Kaputt, Lieben, Thalia
Kaputt, Lieben, Thalia
© Isabel Machado Rios
Zarte Pflänzchen im Kulturbetrieb
Ein Regiestudium, das ideale Mittel, um sich mit Künstlerkolleg:innen eine Chosen Family zu erschaffen, dachte sich die Performer:in Cy Linke, als sie nach Hamburg zog. Doch anstatt sich mit den anderen Nonkonformist:innen zusammen eine neue ideale Welt innerhalb geschützter Räume zu erfinden, stieß sie auf lange Listen voller Regeln, die der Kunstbetrieb als unumstößlich aufstellte. Von den sechs Regieanfänger:innen würden eh nur höchstens zwei Erfolg haben, also sei höchste Leistung, effizienter Output und Konkurrenzdenken statt Teamarbeit angesagt. Ihre Theaterwunschfamilie sollte nach genau den Hierarchien funktionieren wie die althergebrachte: Oben an der bestimmenden Spitze der Vater, sprich Regisseur, darunter die treusorgende Mutter, sprich Dramaturgin und Bühnenbildnerin und als Fußvolk die Kinder, sprich die Schauspielenden.
Doch jetzt zehn Jahre später kann Linke einen Abend zu Ehren ihrer Wahlfamilie in der neu geschaffenen Box im Thalia in der Gaußstraße geben. Trotz all der Hindernisse, die auch der Theaterbetrieb einer queeren Person in den Weg stellt, hat sie die Mitglieder ihrer Chosen Family heute hier versammelt. Manche von ihnen sitzen im Publikum. Alle mit auf die Bühne zu holen, wie sie es gewünscht hätte, dafür hätte das Budget leider nicht gereicht, aber als Videokacheln sind sie alle hinter Linke auf der Projektionsleinwand zu sehen. Auch mit Hilfe ihrer geteilten Erfahrungen entstand diese Performance, mit der sie versucht das Kunstsystem geschickt in Frage zu stellen. Dazu singt sie Popsongs, zieht sich die Boxhandschuhe an, setzt zarte Pflänzchen vorsichtig in frische Erde und lässt kleine Wale in großen Plexihalbschalen schwimmen. Linkes Texte sind ebenso intelligent wie unterhaltsam. Sie wirken nie belehrend, dafür entwaffnend ehrlich. So ist ein intimer Abend entstanden, der ganz von der vereinnahmenden Persönlichkeit Linkes getragen wird.
Birgit Schmalmack vom 27.11.25
Zur Kritik von
hamburgtheater - Kritiken für Hamburg seit 2000
