4000 Tage, St. Pauli Theater

4000 Tage, St. Pauli Theater Foto: Oliver Fantitsch

Farbe ins Leben bringen

Plötzlich fehlen Michael ganze 4000 Tage auf in seinem Leben. Nach einer Kopfverletzung ist ein Blutgerinnsel in seinem Kopf geplatzt und er ist in ein Koma gefallen, dass ihm 11 Jahre aus seinem Gedächtnis gestrichen hat. Ausgerechnet die Jahre mit seinem Partner Paul, mit dem er seit 10 Jahren eine Beziehung führt. Die Reaktionen im Krankenzimmer fallen unterschiedlich darauf aus: Paul ist fassungslos, während Michaels Mutter auf einen unerwarteten Neuanfang für ihren Sohn hofft. Ein neues Leben sei ihm nach seinem glücklichen Erwachen aus dem Koma geschenkt worden, freut sie sich. Endlich dürfe ihr Sohn wieder der werden, der er vor der Beziehung mit dem Werber für Waschmittel wurde: ein besonderer Mensch mit vielen künstlerischen Talenten. Als Michael endlich wieder anfängt zu malen, erkennt Paul schweren Herzens, dass er den jungen spritzigen Michael, in den er sich einst verliebt hatte, zu einem langweiligen Versicherungsvertreter hat werden lassen, der ihm selbst immer ähnlich wurde. Er verzichtet auf Michael. Die Mutter jubelt: Endlich darf sie ihren Jungen wieder ganz unter ihre Fittiche nehmen. Angeblich ganz uneigennützig.
Bis Michael herausfindet, für welchen Weg eine seine Chance auf einen Neubeginn nutzen will, dürfen die Zuschauer viele Wortgefechte zwischen Mutter und Paul um Michael auf der Bühne des St- Pauli Theater miterleben. Judy Winter gibt die zynische, selbstironische und wortgewandte New Yorker Grand-Dame sehr überzeugend. Selbst ein, zwei Texthänger überspielte sie mit großer Souveränität. Gustav Peter Wöhler hatte dagegen dieses Mal die Rolle des großzügigen, liebevollen, schwulen Biedermanns zu geben. Mehr an Doppelbödigkeit durfte Boris Aljinovic zeigen; er konnte Judy Winter ebenbürtig Paroli bieten als Sohn, der selbst seine Mutter noch zu überraschen wusste.
Das Stück von Peter Quilter, das Ullrich Waller in deutscher Erstaufführung auf die Bühne des St. Pauli-Theaters holte, bot ein gutes Boulevard-Kammerspiel. Die versprochenen Erkenntnisse über die unergründlichen Wege der Erinnerung fielen zwar dürftig aus, aber dennoch überzeugten und interessierten die drei Schauspieler auf ihrem ganz persönlichen Weg der Selbstfindung.
Birgit Schmalmack vom 6.4.17

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