Untertan – Wir sind dein Volk, Monsuntheater
Eindrucksvolle Charakterstudie
Diedrich Heßling sieht es als eine Ehre an, von seinem Vater gestraft zu werden. Sein Vater darf ihn verprügeln, denn er ist ein großer mächtiger Mann. Er besitzt eine gut florierende Papierfabrik, die Diedrich einmal übernehmen wird. So studiert er bis dahin nicht nur Geschichtsdaten, Lateinvokabeln in seiner Heimatstadt Netzig und später Chemie in Berlin sondern auch die Insignien der Macht. Im wenig heimeligen, verdreckten Berlin fühlt er sich am wohlsten im Kreise der „Neuteutonen“, seines studentischen Corps, in dem er Gefallen an der akademischen Trinkkultur findet. „Ich gehöre dazu, also habe ich Ehre“, ist eine seiner simplen aber eindeutigen Schlussfolgerungen. Hier wird ihm nationale Empfindung gelehrt, die ihm die Demokratie als Wurzel allen Übels und das harte monarchische Regiment als zukunftsweisend erscheinen lässt. „Es ist eine harte Zeit, so muss man sein“, rechtfertigt er seine zunehmende Härte.
Heßling wird in dem Roman von Heinrich Mann zu einem Prototyp des deutschen Untertanen, der mit seiner Gesinnung den späteren Nationalsozialismus erst möglich machte. Schröder spielt in seinem Monolog alle weiteren Rollen gleich mit. Er verkörpert so verschiedene Persönlichkeiten wie die weiblichen Gespielinnen Diedrichs, den Vater, Corpskameraden, Dorfbewohnern und Berliner Unternehmer. In der Charakterstudie unter der Regie von Anja Gronau arbeitet Schröder die Persönlichkeitsstrukturen des Kindes, des Jugendlichen, des Studenten und des Fabrikerben sorgsam heraus. Er zeigt Diedrichs Lust an der Unterordnung, die sogar erotische Züge annimmt.
Sowohl gesellschaftspolitische wie auch privatmenschliche Aspekte werden berücksichtigt und lassen ein, die Zeit erleuchtendes Bild eines obrigkeitsgläubigen Bürgers entstehen. Morgen ist die letzte Gelegenheit, um in Hamburg die Aufführung zu sehen. Danach muss man sich ins Berliner Theater unterm Dach aufmachen, um Schröder in einer Glanzrolle zu erleben.
Birgit Schmalmack vom 25.11.11
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