Das Hirn ist ein Taubenschlag, Monsun

Das Hirn ist ein Taubenschlag, Monsun Foto: G2 Baraniak


Gegen die Vergänglichkeit

Dr. Immenstein weiß um die Vergänglichkeit, um das stetig Fortschreiten der Zeit. Der Mensch ist nur ein Baustein dieser Evolution. Jeder einzelne nur ein Fliegenschiss der Geschichte. Dr. Immenstein will die Zeit außer Kraft setzen. Dazu präpariert er seine toten Tauben zu ewiger Gegenwart. Wohl wissend um die Vergeblichkeit seiner Versuche die Zeit anzuhalten, zieht er sich immer weiter aus dem Leben zurück. Er mauert sich ein in seine kleine abgeschlossene Welt ein. Die demente Mutter, die er bis zum Schluss pflegte, diente ihm auch als Schutzschild gegen die da draußen. Wenn ihm die Dimensionen des Universums bewusst werden, kringelt er sich in einer Ecke der schrägen Holzebene wie ein Embryo ein. Auf sie kann er sich seine Taubengefährten und seine Universumsbilder projizieren.
Immenstein versucht sich einzureden, dass ihm auch seine Forschung zu Ewigkeit verhelfen könnte. Woran er forscht, bleibt jedoch bis zum Schuss unklar. Auch nur eine lieb gewordenen Illusion. Nach dem Tod der Mutter muss er sich der großen Leere stellen und ist völlig überfordert damit.
Umso dringlicher werden seine zum Scheitern verurteilten Versuche der Konservierung. Er will sich selbst ein Denkmal setzen. Doch in seiner Abneigung seiner schnöden Zeitgenossen vergisst er das Wesentliche: Erst die Interaktion und Kommunikation mit seinen Mitmenschen macht den Homo sapiens aus. Sonst mutiert er zum Tier. Das zeigt die Regisseurin Cora Sachs in ihrer Inszenierung von Dita Zipfels und Finn-Ole Heinrichs Text "Das Hirn ist ein Taubenschlag" sehr deutlich. Dr. Immenstein ist seinen tierischen Forschungsobjekten im Laufe der Zeit immer ähnlicher geworden. Während sein Maskenkopf der eines alten Mannes mit vielen Falten und wenig Haaren ist, ähnelt sein Leib dem einer Ratte. Seine Füße und Hände haben riesige Nägel. Sein Gang erinnert an den eines Affen. Er läuft, hüpft und rutscht über die schräge Ebene, in der er sich eingerichtet hat.
Eine wunderbar tief schürfende Arbeit von Cora Sachs, die nicht zuletzt durch das eindrucksvolle Verkörperung des alten Mannes durch Pablo Konrad, das einfach geniale Bühnenbild von Kathrine Altaparmakov und Marion Schindler und die stimmungsvoll sphärische Musik von Hannes Wittmer und Clara Jochum zu einem Gesamtkunstwerk wurde.
Birgit Schmalmack vom 27.3.19