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Deportation Cast, Lichthof

Deportation Cast By Marcus Renner



Stetiger Perspektivwechsel gefragt

Elvira und Bruno sind in einer Klasse und sehr verliebt. Für zwei Fünfzehnjährige nichts Ungewöhnliches, doch Elvira ist Roma und lebt seit ihrem fünften Lebensjahr nur mit einer Duldung in Deutschland. Nun hat die Ausländerbehörde die Abschiebung ihrer Familie beschlossen. Von einem Tag auf den nächsten ist Elvira mit ihrem behinderten Bruder Exon, ihrer Mutter und ihrem Vater in einem Land, dessen Sprache sie nicht spricht, ihr Vater auf einer Müllkippe arbeiten muss und in dem sie als Roma-Nutte beschimpft wird. Doch sie gibt die Hoffnung nicht auf: Bruno wird sie holen.
Der wiederum liegt im Clinch mit seinem Vater, der eigentlich gerade dabei ist, sich mit seiner frischen hübschen Freundin eine neue Familie aufzubauen. Sein widerspenstiger, aufmüpfiger Sohn mit seinen vielen bohrenden Fragen stört da sehr. Der Vater bietet Bruno viel Angriffsfläche; hat er doch als Lufthansapilot schon solche Abschiebemaschinen geflogen.
Autor Björn Bicker hat in seinem preisgekrönten Stück „Deportation Cast“ die verschiedenen Perspektiven dieses Falles geschickt miteinander verwoben. Nicht nur die beiden Familien stehen sich auf der Bühne gegenüber, sondern auch die Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde, der Anwalt der Familie, die Frau einer Flüchtlings-NGO und der Flug begleitende Arzt kommen zu Wort. Regisseur Harald Weiler macht die Verschränkung in seiner Inszenierung mit nur vier Schauspielern und vielen schnellen Rollenwechseln sehr deutlich. Dass das so gut gelingt, liegt an der hohen Qualität aller vier Darsteller (Ulrich Bähnk, Parbet Chugh, Wicki Kalaitzi und Wiebke Wackermann) und ihrer psychologisch genauen Detailarbeit.
Anhand dieses Einzelfalles werden die übergeordneten Fragen konkret. Wie darf ein reiches Land wie Deutschland mit seinen Asylanten umgehen? Sind die Einschätzungen der Behörden so objektiv, dass sie Abschiebungen rechtfertigen? Wie gehen die betroffenen Menschen mit diesen Behördenentscheidungen um? Dürfen die Einheimischen dabei tatenlos zu gucken oder sogar mithelfen? Einfachen Antworten verweigert sich das kluge Stück, diese muss der Zuschauer selber finden.
Birgit Schmalmack vom 23.11.14