Die Welt im Rücken, Lichthof
Aufhebung der Distanz
Ein Setting wie zu einer Lesung: ein langer Tisch mit ausgestellten Bücher des Autors, zwei am Rand sitzende Personen, der Autor in der Mitte. Zögerlich fängt der Autor an zu lesen, zu reden und zu erzählen. Immer wieder wird er unterbrochen von den beiden außen Sitzenden. Sie kommentieren und erklären seinen Bericht.
Dabei sind die drei Personen, die sich hier scheinbar zu einer Lesung von "Die Welt im Rücken" getroffen haben, eigentlich nur die drei Seelen in der Brust von Thomas Melle: sein manischer, sein depressiver und sein rationaler, analysierender Teil. Melle hat in seiner Autobiographie seine manisch-depressive Erkrankung literarisch verarbeitet.
Sind sie am Anfang noch sauber voneinander getrennt, geraten sie in der inszenierten Lesung immer mehr zu einer Person, die die Rollen stetig überschreitet und wechselt.
Das ist ein interessanter Ansatz für die Inszenierung von Melles Autobiographie, die als Gastspiel vom Berliner Theaterdiscounter im Lichthof zu sehen war. Sie schafft es noch viele weitere Aspekte zu thematisieren und das alles in nur 90 Minuten. Wenn der Autor sich in den weißen Raum im Hintergrund begibt, als er in der Psychiatrie der Charite kommt, wird die Ausstellung des eigenen Verrücktsein angesprochen. Setzten sich die beiden Anderen noch zunächst mit weitem Abstand auf zwei Stühle vor den Klinikraum, betreten sie ihn bald darauf, um mit dem Autor über seine Theaterengagements zu berichten. Kunst und Wahnsinn könne durchaus eine Verbindung eingehen - das wissen sie aus eigener künstlerischer Erfahrung, wie sie im nachträglichen Publikumsgespräch erzählen. Wenn von ihnen zum Schluss die unterschiedlichen Reaktionen in der Literaturkritik zitiert werden, wird die Problematik der Vermarktung psychischer Krankheiten deutlich.
Ein kleine, dennoch eindrückliche und sehr persönliche Auseinadersetzung mit Melles Buch ist den drei Theatermachern (Georg Scharegg, Cornelius Schwalm und Verena Unbehaun) aus Berlin gelungen. Man hätte ihrem Experiment mehr Zuschauer in Hamburg gewünscht.
Birgit Schmalmack vom 6.3.18