Reading Salome, Kampnagel
Reading Salome, Kampnagel
Provokante Oberflächen
Salomé ist eine Oper, die provoziert und herausfordert. Das war schon zu ihrer Entstehungsgeschichte so. Eine Frau, die es wagt ihre sexuellen Begierden so weit auszuleben, dass sie ihren Begehrten zum Objekt erklärt und seinen Kopf fordert, zeichnet ein ungewöhnliches Bild der Weiblichkeit. Die Musik von Richard Strauss schraubt sich passend dazu in ungewohnte Klangkonstrukte, die die Partie der Salome auch stimmlich zu einem Par Force Akt machen. Sich heute an eine Neulesung dieser Oper zu wagen, ist ein interessantes Projekt. Dieses vor der Folie von Dragqueens und Transsexuellen zu machen, klingt spannend. Auch in diesem queeren Kontext wird schließlich das Bild von Weiblichkeit in der Überzeichnung hinterfragt, dargestellt und gestaltet.
Johannes Müller und Philine Rinnert haben dieses Vorhaben mit vier Performern (Bianca Fox, Hauke Heumann, Shlomi Wagner und Cian McConnor) umgesetzt. Die Bühne ist in fünf locker in der Halle verstreute Räume unterteilt. Zwei Sofabereiche, ein Laufsteg, ein Autoreifenberg und eine Auftrittsfläche vor einer Leinwand. Entsprechend dazu setzt sich der Abend aus verschiedenen Elementen zusammen: Szenen aus der Oper, populärwissenschaftlichen Erläuterungen eines Strauss-Experten und einem Gespräch zwischen August Everding und einer früheren Salome-Darstellerin. Playback ist für alle Teile das Mittel der Wahl, sowohl für die Gesangseinlagen wie für die Interviewsequenz, auch die Erläuterungen stammen vom Band. Die zum einem künstlichen Objekt zwischen den Geschlechtern verkleideten Performer spielen mit einem Bild von Erotik, die ins Theatralische und fast Groteske übersteigert ist. Da treffen sie sich vielleicht mit Salome. Doch diese Begegnung bleibt leider an der Oberfläche. Das liegt auch daran, dass diese Performer nur die Lippen bewegen dürfen. Einzig die Äußerlichkeiten werden hier der Betrachtung der Zuschauer preis gegeben. Doch die eigentliche Provokation der Salome ging viel weiter. In diesen Bereich haben sich Müller und Rinnert nicht vorgewagt. Dazu hätten den Stoff inhaltlich viel dichter an die Performer und damit an die Zuschauer heranholen müssen. So bleibt es leider beim Anschauen der aufgemalten Oberfläche.
Birgit Schmalmack vom 17.11.15
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