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kultura extra 
 
 

Paradise lost, Kampnagel



Lucifer, der erste und einzige Widerständler?

Lucifer hat gewagt zu widersprechen. Dafür wurde er von Gott fallen gelassen. Er fiel auf die Erde und schaute sich die Schöpfung an. In welchem Geschöpf sollte er seinen Widerspruchsgeist einpflanzen? Er wählte die Schlange, der Rest ist bekannt.
Lucifer, der gefallene Engel, steht in Mittelpunkt von „Paradise lost“. Die Bühne ist leer und schwarz. Zart und verloren steht der gefallene Engel in Gestalt von Sarah Sandeh vor den Zuschauerreihen. Heiser ist sie von ihrem Großeinsatz bei diesem „Kommando Himmelfahrt“, zu dem sie die Initiatoren Komponist Jan Dvorak und Regisseur Thomas Fiedler auf die Reise schickten, um in Satan den ersten Vertreter des Revolutionsgeists zu ergründen. Zu ihm gesellen sie weitere Revoluzzer-Erfahrene in Form von zehn Altachtundsechzigern. Den passenden aufmüpfigen Ton schlägt dazu die Band »Himmelfahrt Music Hall« (Christian Bekmulin, Jan Dvorak, Andrew Krell, Leo Lazar) an. Die Männer lassen es krachen. Begleitet von geballter männlicher Rockgewalt trägt der kleine weibliche Satan das Gedicht vom „Verlorenen Paradies“ in zehn Bänden vor. Der Text von John Milton verdient es gehört zu werden. Alle Einzelteile sind gut gemacht: Interessante, schlichte Videoprojektion auf den heruntergezogenen, weißen Papierbahnen erzählen von den Erkundungen einer neuen Welt, die Rocksongs des Altherrenchores mit Band sind schmissig und die Schauspielerin überaus energiegeladen. Doch wollen der Zuschauer muss selbst rege mitarbeiten, um die möglichen Verknüpfungen zwischen Lucifers Aufbegehren, späteren Revolten und dem studentischen Widerstand gegen eine verkrustete Nachkriegsgesellschaft zu erahnen. Mehr als eine schnöde Aufzählung der geschichtlichen Schlagwörter als Denkanstoß bietet ihnen Sandeh nicht. Hier bleibt das Aufbegehren die Sache einer einzelnen zarten Frau. Auf die alten Herren kann sie nicht mehr zählen. Die schminken sich auf ihren nackten Oberkörper nur müde mit weißer Farbe das Gerippe des Todes.
Birgit Schmalmack vom 11.6.14