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Born rich

Born rich mit Anne Ratte-Polle by Marcus Renner


Die armen Reichen

Nichtstun kann so anstrengend sein. Anne Ratte-Polle hängt ermattet auf der großen Schaukel, die in der Kampnagelhalle von der Decke hängt. Gülden ist bei ihr Haut und Haar, ihre Sonnenbrille groß, stylisch schlicht der beige Overall und die schicken Stiefelchen. Die goldenen Uhr ist gerade noch ok, nicht zu billig, nicht zu teuer. Denn genau will alles abgestimmt sein. Geld haben ist so schwer. Freunde kann man eigentlich nur unter seinesgleichen haben, alle anderen pumpen einen früher oder später um Geld an. Dann sei die Freundschaft vergiftet. Gerade weil 10000 Euro für sie so viel wie 1 Euro für andere sei, könne sie es nicht einfach verschenken.
Anne Ratte-Polle kommt dabei richtig ins Schwitzen, aus der Puste. Freunde abwimmeln ist Arbeit, merkt da der Zuschauer, wenn sie ins Headset schnauft. Weil sie es leid war, sich immer neue, immer falsche Antworten auf die Bitten der Freunde sich auszudenken, kam sie auf die geniale Idee, die „Fuck-my-Friendship-Stiftung“ zu gründen. Dort verschenkt ihr Verwalter einfach das Geld, allerdings unter bestimmten Auflagen. Mal muss der Beschenkte zustimmen, sich ein Jahr von Paparazzis verfolgen zu lassen, mal zusätzliche 50000 Euro unter seinen Freunden zu verteilen, die vorher allerdings darüber informiert werden.
Doch manchmal nervt das Nichtstun so sehr, dass man sich eine ganz normale Arbeit wünscht. Ratte-Polle dann schiebt völlig nutzfrei mit einem Staubsauger Kunstschneehaufen zusammen. Jeden Gedanken daran, dass die monatlichen Zinsen des Eigenkapitals höher als der Verdienst für diese Tätigkeit sind, gilt es aber dabei konsequent zu unterdrücken.
Der Hamburger Clubbetreiber und Journalist Tino Hanekamp hat mit etlichen Millionenerben gesprochen und deren Äußerungen mit der Regisseurin Maria Magdalena Ludwig zum einem Theaterabend zusammengestellt. Anne Ratte-Polle macht ihn zu sehenswertem Ereignis. Ihre ironisch-laszive, intelligent-erotische, sympathische Arroganz gibt den oft banal um Mitleid heischenden Gedanken die Doppelbödigkeit, die inhaltlich aber wenig Entsprechung findet. Die Aussagen gehen nicht wesentlich über die Allgemeinplätze „Bei Geld hört die Freundschaft auf“ und „Geld verdirbt den Charakter“ hinaus. Eine Kontrastierung mit Auswüchsen auf der anderen Seite der auseinander klaffenden Schere hätte die Spannung des Materials erheblich steigern können.
Birgit Schmalmack vom 17.3.14