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Sider

Sider Dominik Mentzos

Nicht von Pappe

Drei rechteckige, mannshohe Pappen und flackernde Neonröhren – mehr ist auf der Bühne bei „Sider“ zunächst nicht zu sehen. Dennoch erzählt die Forsythe Company damit viele Geschichten um Ausgrenzung, Freiheit, Regulierung und Ausbruch. Die Pappen werden dabei zu wehrhaften Schilden, mit denen lautstark das eigene Terrain verteidigt wird. Mit ihnen werden Grenzen gezogen, anderen Beschränkungen der Einfaltung aufgedrängt und versucht sie unsichtbar zu machen. Doch in bunt gemusterten Ganzkörperanzügen inklusive Gesichtsmaske ist man ebenso möglicher Machthaber wie Revolutionär oder Terrorist. Schnell wechseln die Rollen innerhalb der bunten Gesellschaft. Häuser werden gebaut, in denen auf engsten Raum alle auszuharren haben. Rüttelt einer an den Regeln, fällt das Kartonhaus in sich zusammen. Ein paar Freigeister in Streetwear schwirren durch die Szenerie und versuchen sich nicht einkästeln zu lassen. Mit ihren katzenhaften Bewegungen, die gelenkig alle Freiräume zu nutzen verstehen, winden sie sich blitzschnell und anpassungsfähig zwischen den Grenzen hindurch.
Diese Erkundungen zu Aus- und Eingrenzungen - zu Out- und Insidern - unterlegt Forsythe mit unverständlichen Sprachmelodien, die dem elisabethanischen Theater entlehnt sind. Nur einzelne Sätze schimmern auf: „Is or is not “ oder „ They are to us as we are to them“. Der Soundtrack wird durch das Knallen, Rutschen, Schieben der Pappen, dem lautmalerischen Sprachverwirrungstheater und einem einsetzenden Geräusch- und Klangteppich bestimmt.
Wie weit jeweils die Grenzen von Improvisation und Festlegung ineinander verwoben sind, bleibt eine Frage, die für Spannung beim Zuschauen sorgt. Doch nicht nur das; die theatralen Vorgänge, die möglicherweise hinter den Bewegungsmuster der einzelnen stehen, laden immer neu zum Enträtseln ein. Es ist unverkennbar, dass hinter dieser so unscheinbar daherkommenden Arbeit ein penibel erforschter Ideenraum steht und so ist es schwer, sich ihrem Sog zu entziehen.
Birgit Schmalmack