All is divine
Fest der Sinne
Man muss kein Liebhaber des Wagnerschen Rings sein, um dieses Fest der Fantasie, das Charlotte Engelkes in „All is divine“ auf Kampnagel anrichtet, genießen zu können. Doch selbst für Wagner-Kenner bezeugt es, das Engelkes zweifellos zu ihnen gehört. Sie nutzt den Ring als freien Assoziationsraum für ihre eigenen fantastischen Interpretationen.
Die verbotene Liebesgeschichte zwischen Sieglinde und Siegmund steht gleich zu Beginn. Engelkes und Lindy Larsson sitzen einträchtig in Partnerlook-Kleidern nebeneinander auf zwei Kisten. Sie wissen, ihre Geschichte wird nicht gut ausgehen. Um das anzudeuten, reicht Larsson und Engelkes ein wissendes Augenzwinkern.
Diese erste Szene macht schon klar, womit Engelkes und ihr Team punkten kann. Diese ganz besonderen Talente, die hier auf der Bühne stehen, können singen, sprechen, tanzen und sind überaus präsent. Alle Darsteller wechseln blitzschnell die Kostüme und Rollen.
Wenige effektive Bühnenmittel, tolle Kostüme und witzige kleine Details formen sich zu immer neuen überraschenden Bildern, die in schnellem Szenenwechsel von dem Streit um das Gold und Glück erzählen.
So tauchen die Rheintöchter auch hier auf; aber nur mit ihren Köpfen durch Schlitze in einem schlichten weißen Tuch, das von der Decke herabhängt. Die Fluten und ihre Nixenkörper werden ihnen mit schnellen Zeichenstrichen einfach hinzuprojiziert. Brünhilde (auch Engelkes) streitet mit ihrem Vater Wotan (auch Larsson) um den richtigen Weg. Verstärkung bekommt sie aus ihrer Familie, deren Familienaufstellung sie anhand von Rollkoffern mit Scherenschnittgesichtern probt. Dann bekommt sie leibhaftige Verstärkung: Seite an Seite steht sie nun mit ihren Familienmitglieder und sie vollendeten ihre Sätze gemeinsam. Dafür treten sie in einer Reihe vor das aufgestellte Mikro. Doch die Größenverhältnisse könnten nicht größer sein. So muss einer von ihnen sich entweder auf die Zehenspitzen stellen oder in die Knie gehen.
Die Musik kommt auch in dieser Fassung nicht zu kurz. Die Sängerin Ingrid Tobiasson ist in der Lage den Wagner-Ton authentisch zu treffen. Die anderen Interpreten dürfen vor dieser Folie ihren eigenen Zugang zu der Musik finden. Sie bringen ihre eigene Note mit ein und formen ein wunderschönes Gesamtbild, das mit viel Witz die Botschaft sendet: Jeder kann das Göttliche in sich finden, wenn er bereit ist dafür zu kämpfen. Denn jeder trägt das Göttliche in sich. Das glaubt man einer Charlotte Engelkes mit ihren vier wundervollen Mitstreitern sofort.
Birgit Schmalmack vom 15.12.13