Tchi –Kudum
Gaffen erlaubt
In einer „Trilogie der Erschöpfung“ untersucht Regina Rossi ihre tänzerischen Wurzeln. Während sie im ersten Teil der Prägung der normierten Frauenrolle noch im Samba-Alleingang nachging, hat sie sich dieses Mal eine Partnerin dazugenommen. Denn es ging ihr um den Paartanz. Dass sie aber dennoch eine Frau als zweiten Tanzpartner nahm, liegt auch dieses Mal an ihrem Fokus auf die Geschlechterrollen. Genderstudien in Brasiliens Tanzkultur sind bei Rossi keine trockene Lehrveranstaltung. Zuerst führt sie die heutige Plastikversion des Forro vor: Zwei kurz berockte langmähnige Backstagedancerinnen führen breit lachend ihre Popversion vor. Im Dauerlächeln-Modus hinter verspiegelten Sonnenbrillen sind sie dazu da, Lebensfreude und Erotik pur zu vermitteln.
Mit einem lauten Knall löst diese Synthi-Vorführung in Rauch auf und die Beiden tauchen mitten unten den Zuschauern wieder auf. Ganz eng kleben die Tanzpartner aneinander. Meist liegt der Kopf der einen auf der Schulter der anderen. Ständig wechseln die Rollen, die ansonsten klar definiert sind. Mal führt die eine, mal die andere. Aufhören gibt es nicht. Immer bleibt man im Sambaschritt. Wie von selbst scheinen die Füße sich zu bewegen, die Hüften zu schwingen, die Körper vor und zurückzuschnellen. Ganz nah kommen die Zuschauer den Beiden. Nie ist klar, in welche Richtung ihr Tanz sich bewegen wird. Blitzschnell heißt es, den Weg frei zumachen. So kommt Ballsaalfeeling auf. Anschauen und den anderen beim Gaffen zuschauen ist erlaubt. Man darf gespannt sein auf die Entwicklungen im dritten Teil des Tanzens bis zur Erschöpfung.
Birgit Schmalmack vom 4.5.13
Carpenter-Effekt
Nutzen des Kreativitätseffektes
Carpenter entdeckte einen Effekt, der die Wirkung von Simulation beweist. Vorgeführte Handlungen beim Zuschauer den Effekt, diese Handlungen selbst vollführen zu wollen. Spiegel-Neuronen bewirken diese Nachahmereffekte. Diese machen sich jetzt Jochen Roller und Monica Antezana zunutze.
Sie wollten sich so gerne zu Jochens 20-jährigem Bühnenjubiläum ein großes, aufwändiges Musical schenken, doch das Budget, das Kampnagel ihnen zur Verfügung stellen können, ist so klein wie zu Beginn von Rollers Karriere. Also appellieren sie an die Fantasie ihrer Zuschauer, um auf der leeren Bühne das entstehen zu lassen, was ihrem Jubiläum angemessen wäre. Da sie wie gewohnt sich nicht scheuen, sich dabei auch gewisser Peinlichkeiten preis zu geben, nutzen sie neben dem Carpentereffekt mit ihren Kostümen aus Putzmitteln, alten CDs, Pappkartons und Mülltüten auch den Humor- und Selbstironieeffekt. Sie führen exemplarisch vor, dass Fantasie, Kreativität und Witz effektvoller wirken können als ein großes Budget.
Birgit Schmalmack vom 4.5.13