Rodogune. Verkehrte Welt
Eine Frau greift zur Macht
Ganz oben auf ihrem einstigen Gefängnis steht sie zum Schuss. Stolz reckt sie ihren Kopf mit der Krone unter dem Goldregen empor. Weit hat sie sich hoch gearbeitet. Zu Beginn war sie noch die Gefangene in demselben Käfig und die anderen fuhren mit ihr Schlitten. Wie sich Realität und Fantasie verschränken und sich gegenseitig in ihrem Zerrspiegel beeinflussen können, wie ein junges Mädchen unter widrigsten Umständen zur mächtigen Frau wird, wie ein Opfer zur Täterin wird - all das zeigt die Diplomandin Sarah Klöfer in ihrer beeindruckenden Abschlussinszenierung „Rodogune. Verkehrte Welt“.
Von der ersten Szene an nimmt ihre Arbeit gefangen. Die Dienerin Laonike erzählt von den Schrecknissen des Krieges, den Intrigen und den Morden. Hinter ihr zeugen die Schattenbilder von den furchtbaren Geschehnissen. In die holzschnittartigen Verfremdungen platzt das pralle, zupackende Leben in Gestalt der Königin, ihrer beider Zwillingssöhne und ihrer Gefangenen Rodogune herein. Kleopatra klammert sich mit aller Macht an ihre schwindende Herrschaft. Die Söhne kämpfen um die Erlangung der Königswürde und zugleich um die schöne Braut. Nur einer kann sie haben: Der Erstgeborene gewinnt. Doch der schöne Schein trog, die zarte Prinzessin ist nicht die brave Unschuld, für die sie alle hielten.
Klöfer verknüpft geschickt die Stücke „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll und „Rodogune“ von Pierre Corneille. Doch was hat das fantastische Kinderbuch mit dem Drama um die kriegerischen Machtspielereien am Hofe Kleopatras zu tun? Beide zeigen die Entwicklung einer jungen Frau, die beschließt sich nicht mehr unterkriegen zu lassen. Sie demonstrieren aber auch, wie dieser Aufstieg korrumpieren kann.
Während ein Klöfer ein inhaltsschweres Kunstwerk aus Bildern, Gedanken, Leidenschaften und Ideen erschuf, widmet sich Laura Louise Brunners Abschlussarbeit „Das Ende vom Anfang“ ganz dem absurden Spaß. Dank der hervorragenden Darsteller Christian Bayer und Stefan Haschke kamen die skurrilen Absurdheiten des Lebens, die das Stück von Sean O’Casey karikiert, voll zur Geltung.
Die Einbauküche von Darry und Barry steht auf einem schaukelnden Ponton inmitten der beginnenden Klimakatastrophe. Hier versuchten sie ihr Leben zu schaukeln und gerieten doch immer mehr in Seenot. In ihren Bananen- und Tomatenkostümen witzeln sie sich von Slapstick zu Slapstick, von Peinlichkeit zu Peinlichkeit, von Gag zu Gag. Meist gut gemeint, aber dennoch jäh verunglückt. Zum Schluss retten sich die Unglücksraben auf eine der letzten Eisscholle vor dem Komplettzusammenbruch ihres Lebens und schwimmen neuen Abstürzen entgegen.
Birgit Schmalmack vom 19.3.13