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Schnee

Schnee vom Ballhaus Naunynstraße auf Kampnagel



Auf Eis gelegt

„Dieser Ort ist wie ein Loch, wenn du einmal hineinfällst, kommst du nicht wieder raus.“ Zu einem Sinnbild für einen vollkommen abgeschiedenen Ort wird das fiktive Karsberg, an dem sich die Verwerfungen dieser Zeit wie unter einer Glasglocke studieren lassen. Aus dem türkischen Kars der neunziger Jahre hat der Regisseur Hakan Savas Mican den Roman von Orhan Pamuk „Schnee“ ins deutsche Karsberg verlegt. Eine verlassene Schwimmhalle soll hier zu einer Moschee umgebaut werden. Das erregt die Gemüter der Treudeutschen. Sie wollen sich von den Hinzugezogenen nicht erklären lassen, wie die einzige Wahrheit auszusehen habe. Mittendrin steckt der Journalist und Schriftsteller Ka (Mehmet Yilmaz), der in Karsberg seine frühere Liebe Seide (Sesede Terziyan) wiederzufinden hofft. Doch nun steckt er mitten zwischen seinem Jugendfreund Herbert (Godehard Giese), dem Anführer der Nationalisten, und dem Popislamisten Grün (Aleksander Tesla), der speziell die Frauen gleich reihenweise um den Finger zu wickeln versteht, unter anderen auch Seide.
Auf dem Eisberg der zwischenmenschlichen Kälte hat das Ballhaus Naunynstraße eine packende, witzige, hochaktuelle und dennoch zeitlose Adaption entstehen lassen. Kurzweilig werden mal eben Probleme angerissen, gekonnt überzogen um gleich darauf wieder in Frage gestellt zu werden. Tolle Leistung von den Berliner Postmigrantischen Theatermachern des Ballhauses und ein Danke an den Festivalleiter Branko Simic, der sie für das „Krass“-Festival nach Hamburg gelotst hat.
Birgit Schmalmack vom 8.12.12