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We saw monsters, The Orchard Ballads, Kampnagel

We saw monsters Erna Omarsdottir



Die Ästhetik des Grauens

Meditative Ruhe legt sich in völligem Dunkeln über die Kreisgemeinschaft der Zuschauer unter dem umgedrehten Zeltdach in der P1, das von der Decke hängt. Zu den sphärischen Klängen der esoterischen Live- Folkmusik von Ingvild Langgard zeigt die Tänzerin Ingri Fiksdal in „The Orchard Ballads“ die Metamorphose eines Körpers. Anfänglich scheint sie nur aus Beinen und Po zu bestehn, dann bekommt sie Arme und stakst sie wie ein Insekt. Unter den herabsinkenden Stoffbahnen mutiert ihr Körper zu einem Gewürm, wird zu quallenartigen Gebilden, steht schließlich aufrecht wie eine verschleierte Frau und zuletzt wie ein Denkmal mit erhobenem Arm. Für jede dieser Entwicklungsstufen gibt ein Lied Langgards die Zeitspanne vor. Diese fast statische Ereignislosigkeit fand ein jähes Ende in der zweiten Aufführung des Abends auf Kampnagel.
Denn ganz anders war die Tonlage bei Erna Omarsdottir „We saw monsters“. Gleich die erste Szene zeigt, wo es langgeht: Keine Tiefenentspannung sondern Geschrei, Lärm, Angst und Grauen sind jetzt angesagt. Die isländische Choreographin will untersuchen, wie viel Monster in Menschen steckt. Mit rollendem R unterlegtem Englisch erzählt sie dazu kleine grauenvolle Geschichten. Zum Beispiel von einem Mann, der in seiner Kindheit stark vernachlässigt wurde und als Erwachsener denMenschen ihre Hände abschneidet, damit er sich mit ihnen streicheln kann.
Während die blonden Babydoll-Zwillinge sich noch verzagt an den Händen halten, schleichen sich schon die ersten verrückten Untoten hinter ihnen über die Bühne an. Viel laute Musik, viel Blut, viel nackte Haut gepaart mit dem strikten Willen zur Ästhetik präsentiert Omarsdottir in dieser Arbeit. Selbst wenn das Blut spritzt, gehorcht das Böse der strengen Choreographie klarer Schönheitskategorien.
Doch im Gegensatz zur letztjährigen Arbeit von Omarsdottir fehlt hier der inhaltliche und differenzierende Tiefgang. Bei „Teach Us to Outgrow Our Madness“ sorgten Brüche für überraschende und interessante Perspektivwechsel und Erkenntnisse. Dafür ist die die Anlage dieser neuen Arbeit aber zu schnell durchschaubar und eindimensional. Dass sie sich als Frau mit diesem Thema so drastisch auseinandersetzt, widerspricht zwar wohltuend gängigen Klischees, braucht sich eine Omarsdottir aber nicht mehr zu beweisen.
Birgit Schmalmack vom 11.11.12