Sudermann&Söderberg, Rimini Protokoll, Kampnagel
A Talk: Kommunikationsannalysen
Dem Rhythmus in Kommunikationssystemen spüren Sudermann und Söderberg nach. Sie tun das auf ihr sehr charmante und unprätentiöse Art und Weise. Wie beiläufig eröffnen sie Gedankenketten zu kommunikationspsychologischen Erkenntnissen. Zuerst beginnt es wie ein
A- Capella-Workshop. Zu dem Rhythmus ihrer Hände und Füße schleudern sie in ständiger Wiederholung die ersten Wortbrocken in die Publikumsreihen. Kleine Variationen lassen aufhorchen.
Die beiden Performerinnen haben ein sicheres Gefühl für Tempo, Verlangsamung und Stille. Lange Phasen des Ach, Ähm, Och, wechseln mit Schnellsprechsequenzen. Sie erzählen vordergründig die Geschichte einer beginnenden und endenden Liebesbeziehung. Doch sie ist nur ein Beispiel für eine Form der Kommunikation, die auf einem Irrtum beruht: Die Sätze, die die Frau so bezauberten, entpuppen sich später als Folge von Betrunkenheit. Die Beiden sind Könner der Sprachakrobatik. Die kleine Ukulele lässt ihren letzten Gesang zu einem einlullenden Abgang werden.
Prometheus in Athen: Du musst dich entscheiden!
Mit wem in der Prometheus Geschichte würden sich die 103 Athener identifizieren, die bei der Theateraktion in Heraklion mitgemacht haben? Diese Frage stellten das Rimini Protokoll vor zwei Jahren ihren ausgewählten Stellvertretern der griechischen Gesellschaft. Sechs von ihnen sind nun nach Hamburg gekommen und treten aus ihrem Filmdokument auf die Kampnagelbühne.
Die Athener mussten noch viele weitere Fragen beantworten und sich stets auf eine der Seiten schlagen: „Ich“ oder „Ich nicht“. Dabei wird sowohl nach Steuerhinterziehung, der Bereitschaft für die Familie jemanden zu töten, dem Verbleib in der EU, den Gefühlen Deutschlands gegenüber sowie nach der Wahrheitsliebe gefragt.
Rimini Protokoll hat schon spannendere Konzepte entwickelt. Das Entscheidungsspiel, das Rimini dieses Mal in Szene setzt, bietet wenig sehr wenig Spielraum für die Performer. Dennoch wird es ein persönlicher Abend. Da sind die attraktive Mathematikerin, die sympathische Kommunikationsmanagerin, die arbeitslose Psychologin, der Single-Ingenieur, der lockere Schauspieler und der redegewandte EU-Beamte. Sie alle bringen die Griechen den Hamburgern ein Stück näher, wenn einer von ihnen seine aktuelle Seitenwahl erklärt. Denn auch in dieser Produktion kommt wieder einmal eine der Qualitäten der Rimini-Gruppe zum Vorschein: Sie haben sechs starke Persönlichkeiten ausgewählt, die die starre Form dieses Abends für sich und das Publikum aufbrechen und füllen können. Auch wenn diese Produktion der Riminis nicht zu ihren stärksten gehört, wird ein einfaches Aburteilen der „Griechen“ nach diesem Abend wesentlich schwerer fallen.
Birgit Schmalmack vom 20.8.12