Forced Entertainment: Tomorrows parties, Kampnagel
Blick in die Zukunft
Wie im Hyde Park steigen die beiden auf zwei übereinander gestapelte Paletten und beginnen: „In the future...“, sagt der Mann, werde es keine Staaten mehr geben, nur eine einzige Weltregierung werde für Ordnung sorgen. „Or, in the future...“, meint die Frau darauf, würden wir wieder zu einem feudalen System der Fürstentümer zurückkehren. Eine push-botton-Demokratie wäre auch möglich, eine Erde ohne Menschen, nur von Insekten bevölkert. Eine Welt ohne Männer, nur Frauen und Samenbanken würden für den Fortbestand sorgen, spekuliert die Frau. Der Mann kontert: Eine Welt mit wenigen Männern und vielen Frauen, so dass die Männer ohne eigene Anstrengung begehrt seien. In der zukünftigen Gesellschaft würde vielleicht die Religion wichtiger werden, spekuliert der Mann, oder eben die Zugehörigkeit zu einem Unternehmen, wie z.B. Nike oder Mitsubishi, vermutet die Frau. Vielleicht würde auch das ganze Leben aller Menschen im Fernsehen ausgestrahlt und Verbrechen würden einfach durch Zurückspulen aufgeklärt. Eventuell gäbe es auch Out-of-Law-Clubs, in denen das Gesetz außer Kraft gesetzt wäre, während außerhalb alles komplett durch Polizei und Sicherheitsdienste geregelt wäre. Oder alle Menschen würden in einer großen Stadt leben, die sich über die ganze Erde erstrecke. Über Moral hätten die Menschen gar keine Zeit mehr nachzudenken, da sie nur zum Arbeiten und Schlafen kämen. Oder alle Arbeit würde von Robotern erledigt werden und die Menschen könnten den Müßiggang pflegen.
So spekulieren die beiden Macher von „forced entertainment“ über unsere Zukunft unter ihrer bunten Lampionkette auf ihren Palettenpodest über siebzig Minuten lang, ohne sich vom Fleck zu bewegen. Völlig unaufgeregt, sachlich, nur manchmal leise über den Vorschlag des anderen schmunzelnd, erspinnen sie sich unsere Zukunft. Weil in allen diesen Visionen ein Körnchen Wahrheit steckt, sorgen sie für etliche Lacher der Selbsterkenntnis. Lange kann Die Spannung von den Performern gehalten werden. Ein Hauch von dramaturgischem Aufbau ihres Vortrags hätte diese auch noch bis zum Schluss halten können.
Birgit Schmalmack vom 30.8.11
Zur Kritik von
nachtkritik |