Der gestohlene Gott, Kampnagel
Der gestohlene Gott, Kampnagel
Gelungene Zähmung eines Jahnn-Stückes
Der Disput zwischen den Generationen ist vorprogrammiert. Die vier Alu-Säulen umgrenzen klar den engen Raum, in dem sich die Jugendlichen bewegen dürfen. Starr sind die Verhaltensregeln definiert. Mutter Sebald (Cornelia Schirmer), Vater Hygin (Thore Lüthje) sind die Vertreter der älteren Generation, die strikt vorgeben wollen, wie sich die drei Jugendlichen Leander (Joshua Seelenbinder), Leonhard (Mervan Ürkmez) und Wendelin (Toini Ruhnke) zu entwickeln haben. Dazu gehört weder eine Liebe zwischen den beiden Freunden Leander und Leonhardt, noch dessen Liebe zur seiner Schwester Wendelin. Doch die Kinder haben keine Lust sich nach diesen Regeln zu richten. Sie haben ein anderes Glaubensbekenntnis: "Ich glaube an die Sündlosigkeit des erregten Blutes. Ich glaube an das wilde ungezähmte Leben." So brechen sie aus dem starren Rahmen aus und gehen zusammen fort. Sie spannen ein weißes unschuldiges Tüllzelt über die glänzenden Alu-Säulen und füllen den neuen Raum mit ihrer Dreier-Liebe. Als sie feststellen, dass diese übergroße Liebe nicht in diesen Rahmen passt, bleibt ihnen nur noch ein Ausweg: der Tod.
Große Worte, große Gefühle, große Ideale - die drei jungen Leute sind absolut in ihren Ansprüchen und radikal in ihren Schlussfolgerungen. Der Text von Hans Henny Jahnn kommt wortgewaltig daher. Wie man ihn dennoch mit großer Leichtigkeit, Spielfreude, Witz und Modernität inszenieren kann, hat der Jungregisseur Moritz Beichl in seiner Abschlussinszenierung auf Kampnagel gezeigt. Mit seinem durchgehend gut besetzten Ensemble, einem überzeugenden Bühnenbild (Gesine Lenz), toller dramatischer Pop-Musik (Lukas Wandl) und viel gestrichenem Text gelang seinem Team eine tolle Umsetzung, die viele der Fallstricke, die Jahnn stellt, geschickt umgeht und das Potential, das in dem Text steckt, dennoch auszuschöpfen weiß.
Birgit Schmalmack vom 21.1.17