Zur Kritik von

Abendblatt  
Die auswärtige Presse 
 

Vier Männer im Nebel in den Kammerspielen

Vier Männer im Nebel by BO LAHOLA



Vier Mittelstandsmänner im Ausnahmezustand

Vier Geschäftsmänner sind ihrer Handys, ihrer Autos und ihrer Anzüge beraubt. Auf einem von der Firma organisierten Selbsterfahrungstrip sind sie gründlich vom Kurs abgekommen und auf einer kleinen Insel im Nebel gestrandet. Es ist bitter kalt, sie sind nass und ziemlich ratlos. Alle sonstigen Strategien versagen hier völlig. Auf sich selbst zurückgeworfen offenbaren sie nicht alle ihre besten Seiten. Der unzufriedene Zyniker Gordon (Stephan Benson) versucht mit seinen sauber gesetzten, als Witz getarnten Spruchschüssen von eigenen Fehlleistungen abzulenken. Neville (Jens Wawrczeck) hat sich als Anführer des Teams erwiesenermaßen als eine glatte Fehlbesetzung erwiesen. Umso mehr setzt er sich jetzt, allerdings auch ohne großen Erfolg, für die Aufrechterhaltung des imaginären Teamgeistes ein. Angus (Roland Renner) kann seine neurotischen Lebensängste nur mit einer Batterie von Ausrüstungsmaterialien für Notfallsituationen in den Griff bekommen, die er in seinem Rucksack bunkert. Der psychisch labile Roy (Peter Theiss) hat sich in den Gottes- und Naturglauben geflüchtet, um sich vor dem Abgründen des Lebens zu schützen.
Regisseur Michael Bogdanov hat die Tragikomödie von Tim Firth in den Hamburger Kammerspiele in einem streng naturalistischen Rahmen umgesetzt. Auf der kleinen Bühne ist tatsächlich ein kleines Eiland im Nebel zu sehen. Die Männer ächzen sich triefend nass hinauf. Die darauf folgenden Umziehaktionen sind bis ins kleinste Detail ohne ästhetischen oder inhaltlichen Mehrwert mitzuverfolgen. So ist das Einheimsen von Lachern garantiert. Beim Hochschrauben der Fallhöhe zum weiteren Verlauf ist Bogdanov mitunter übers Ziel hinausgeschossen. Doch spätestens nach der Pause ist jedem klar, dass die Komödie jetzt zu Ende ist und die Tragik der Männer schonungslos offen gelegt werden wird. Bis es so richtig interessant wird, darf man sich in den Kammerspielen die Wartezeit mit komödiantischen und sprachgewitzten Einlagen vertreiben lassen.
Birgit Schmalmack vom 4.10.12