Der Kontrabass
The miracle of love
Ein Orchester ohne Dirigent ginge, aber ein Orchester ohne das Fundament des Kontrabasses würde zusammenbrechen. Davon ist der Kontrabassist aus dem Staatsorchester überzeugt. Obwohl er sich durchaus der Tatsache bewusst ist, dass sein Instrument eigentlich nur hässliche Töne produzieren könne. So stimme auch der Umkehrschluss: Ohne das Orchester sei der Kontrabass wertlos. Viel schlimmer ist aber für den beamteten Musiker, dass sich sein Ungetüm wenig anziehend auf Frauen wirkt. So erklärt er sich, dass er mit 48 Jahren immer noch Single in seiner mit Dämmplatten schallisolierten Wohnung ist. Dabei hat es ihn erwischt: Sarah, die junge Sopranistin mit ihrer überirdisch schönen Stimme hat es ihm angetan. Doch wie soll er – der biedere, ältliche Bassist vom dritten Pult hinten in der Ecke - sie – das junge, schöne, aufstrebende Soprantalent – beeindrucken?
Der kräftige Handwerker verzehrt sich nach der zarten Künstlerin. Er muss bei der Bearbeitung seines Instrumentes seine ganze Körperenergie einsetzen und ist nach jedem Konzert durchgeschwitzt. Sie dagegen kann mit einer Arie an vorderster Front schon beeindrucken. Unerreichbar!
So kommt Stephan Schad in Max Claessens Inszenierung des bekannten Stückes von Patrick Süßkind auch in Feinripp-Unterhemd, barfüßig und mit Bierflasche in der Hand daher. Seine Lebensunzufriedenheit schleudert er auf dem Spielfeld des Schauspielhauses nicht nur dem anwesenden Kontrabass entgegen sondern auch seinem möglichen Alter Ego: dem Kontrabassisten Henning Kiehn, der ihm allerdings immer aufs Neue beweist, dass dieses Instrument sehr wohl dazu taugen kann, schöne und sogar romantische Töne hervorzubringen. Wenn er sich selbst mit zarten Zupfen und Streichen beim Song „Miracle of Love“ auf dem „hässlichsten“ Instrument begleitet, überführt er die Versagenserklärungen seines verbeamteten Gegenübers der Lüge. Ihre Lebens-Bühne ist alles andere als glamourös: Die Girlande ist halb zerrissen, das braune Spanplattenholz abgeschrabt und die Getränkebar hat billigen Kantinencharme.
Claessens Regiearbeit bringt den Text hintersinnig komisch zum Leuchten. Stephan Schad ist dafür die Idealbesetzung. Was hätte aus diesem Typen alles werden können, wenn er sich nicht vereinsamt, desillusioniert und verbittert in seine hirngespinstigen Gedankengebäude in die lebenslängliche Sicherheit eines Beamtentums hätte zurückziehen können? Da wird die Fantasie des Zuschauers spazieren geführt.
Birgit Schmalmack vom 19.2.13
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