Eltern


Eingeschränkte Möglichkeiten

Zuerst sieht man nur die Kehrseite von drei Männern. Es wird gerade die Anus-Atmung im Männergeburtsvorbereitungskurs geübt und man ahnt Schlimmes. Doch dann bekommt Frank Wittenbrink mit seinem „Eltern“ zum Glück noch die Peinlichkeits-Kurve gekratzt und macht fortan das, was er besonders gut kann: Mit altbekannten Liedgut und neuen Texten wohl studierte Typen der heutigen Gesellschaft zu karikieren.
So hat er sich dieses Mal der Gattung Eltern gewidmet. Vier Typen hat er hier ausgemacht: Da sind die rotzfrechen, völlig überforderten Teenie-Eltern (Julia Nachtmann, Martin Wißner), die coolen Rockereltern (Achim Buch, Sandra Maria Schöner), die betulichen Ökoeltern (Tim Grobe, Anne Weber) und die durchgestylten Elite-Eltern (Janning Kahnert, Hedi Kriegeskotte). Letztere lassen das In-Vitro-Baby per Baby-Phone schon im Mutterleib Chinesisch üben. Mitleidig schauen sie nicht nur auf die mittellosen Teenies sondern auch auf die Ökos herab, die für ihr Kind eher auf die Aura und nicht auf die Skills achten, die für den späteren wirtschaftlichen Erfolg wichtig sein werden. Auch das Rockerpaar muss akzeptieren, dass mit Ankunft des Nachwuchses die wilden Nächte sich weniger durch abenteuerliche Motorbiketrips als vielmehr durch durchgehendes Geschrei auszeichnen. Auch ihr früheres, wildes Liebesleben bleibt so auf der Strecke. Wittenbrink erzählt mit Liedern Geschichten. Er zeichnet ganz nebenbei Entwicklungen in den Paarbeziehungen, Glücks- und Erfolgserwartungen an den Nachwuchs, beim Älterwerden nach. Um die zahlreichen Enttäuschungen des Elternlebens zu schildern, braucht er neben den Songs nur wenige Worte. Freuden scheint es in der Wittenbrink-Sicht kaum zu geben.
Das Bühnenbild lässt mit seiner dicht an den Bühnerand gebauten Schul-Aulawand wenig Freiraum. Nur wenn sich die Tafel in der Mitte hebt und das Rockerpaar mit dem Bike auf die Bühne düst, atmet es kurz den Duft der weiten Welt. Ansonsten bleibt sie wie die Sicht der Eltern eingeschränkt auf die wenigen Quadratmeter der Wohnung, des Kindergarten und der Schule.
Birgit Schmalmack vom 20.4.12

Zur Kritik von