Das Totenfest, Schauspielhaus
Beziehungskampf zwischen Schreibmaschine und Schminktisch
Beerdigung und Hochzeit zugleich soll dieses Totenfest werden, hat Jean beschlossen. Am liebsten würde er sich seinen erschossenen Geliebten einverleiben. Wer hat schon mal die Gelegenheit einen jungen schönen Helden zu verspeisen? Doch der Geliebte steht kurz nach dem Schüssen wieder von seiner Bahre auf und so wird diese Totenfeier im Rangfoyer des Schauspielhausees zu einem Spiel um Gewalt, Sex, Liebe und Tod. Die beiden ringen gleichzeitig um die möglichen Inhalte ihrer Beziehung, um den Grad ihrer gegenseitigen Abhängigkeit, um Anerkennung und Würde. Denn sie erfüllen alle erwartbaren Klischees. Der alternde Schriftsteller hält sich einen jungen hübschen Geliebten, den er aushält. Der verwahrt sich dagegen als Nutte angesehen zu werden und versucht nach Kräften seine Eigenständigkeit zu demonstrieren. Sie leiden unter den ungleichen Voraussetzungen. So halten sie sich gegenseitig die Pistole an den Kopf. Sie drohen dem anderen mit Mord oder Selbstmord. Erpressungen, und Drohungen wechseln mit Leibesbekundungen ab.
Jean Genet hat 1947 mit seinem Werk "Das Totenfest" eine höchst umstrittene Feier der Schönheit des Bösen geschrieben, in dem er sogar provokative Lobeszeilen für die Taten der Faschisten einfließen lässt. Regisseur Max Pross hat daraus den Beziehungskampf eines ungleichen schwulen Paares herausgefiltert. Die politische Dimension des Romans klingt nur dezent nur. Im Rangfoyer inszeniert er die Auseinandersetzung um Liebe und Tod zwischen Paul Behren und Jörg Ostendorf. Auf der schicken, schwarz weißen Bel Etage eines schwulen Intellektuellen umtänzelt Behren den an seiner Schreibmaschine sitzenden Ostendorf, Die geheimnisvolle Soundinstallation von Raphaela Andrade unterstreicht die Uneindeutigkeit der Konstellation. Vertrauen und Wahrheit sucht man in dieser Beziehung vergeblich. Sie mögen sich nicht bekennen, um dem anderen kein Terrain zu schenken. Doch leider spürt man in dem Spiel der Beiden nur Ansätze von glaubwürdigem Gefühl. Ostendorf lässt in jedem seiner Sätze so viel Mehrdeutigkeit anklingen, dass er sich stets in unangreifbarer Entfernung zurückziehen kann. Behren versucht dies mit offensivem Körpereinsatz von choreographischer Eloquenz zu quittieren. Beide spielen zu sehr mit dem "Als-ob", als dass das Existenzielle dieser Beziehung zu spüren wäre. So fehlt in diesem ästhetisch allzu schön arrangierten Totenfest die emotionale Fallhöhe, um es wirklich spannend zu machen.
Birgit Schmalmack vom 7.1.20