Präsidentinnen, DSH

In der Volksküche

Die "Präsidentinnen" herrschen nur über ihr kleines Reich in Ernas Küche. Hier unter dem Fernseher, der eine Rede des Papstes ausstrahlt, treffen sich die drei Frauen, um sich gegenseitig ihre strikten Glaubenssätze kund zu tun. Die heimische Küche ist ihr Revier und zugleich ihr Kampfplatz. Da ist Erna (Ute Hannig), die streng gläubige, geizige und verbitterte Mutter, deren Lieblingsklagen sich um ihren missratenen Sohn Hermann ranken: Ein Alkoholiker, der sich dem "Verkehr" mit Frauen verweigert und damit die Hoffnung auf Enkelkinder seiner Mutter zunichte macht. Daneben sitzt die sinnenfrohe Greta (Bettina Stucky), die allen leiblichen Genüssen sehr offen gegenüber steht und sich gerne ihre erotischen Attraktivität bestätigen lassen würde, aber ihren Dackel Lydia im Zweifelsfall allen Menschen vorzieht. Und Mariedl (Lina Beckmann), die für ihren Herrn Jesus und den Herrn Pfarrer in gläubigem Eifer auf himmlische Entlohnung die verstopften Aborte der Stadt reinigt und als reine Seele dazu keinerlei Gummihandschuhe als Schutz vor Dreck bedarf.
Als Erna und Greta wegen einer Nichtigkeit in einen Streit ausbrechen, sich gegenseitig als "zugenähte Klosterschwester" und "Nazihure" beschimpfen und gegenseitig an die Gurgel gehen, bittet Mariedl zaghaft um die Wiederherstellung der Harmonie. Bei dem anschließenden Glas Wein feiern sie ein Fest ihrer kühnsten Fantasien. Greta lernt auf einem Dorffest den flotten Freddy kennen, Erna bändelt mit dem Schlachter Woitila an und Mariedl darf unter den Beifallsbekundungen der gesamten Gästeschar die Klos von den Verstopfungen befreien. Erst als die Jüngste feststellen muss, dass sie bei ihrer Drecksarbeit wieder einmal hinter den Schwestern zurückstehen muss, setzt sie zur späten Rache an und holt die Beiden in die ernüchternde Realität zurück.
Viktor Bodo hat eine textreue Inszenierung des Schwab-Stoffes der "Präsidentinnen" hingelegt, die die Entgleisungen der Frauen in blutige Gewaltakte eskalieren lässt. Bodo begnügt sich nicht damit ihre seelischen Abgründe mit Worten bloß zu legen, sondern nimmt sie zum Anlass für auf die Herdplatte gedrückte Wangen, aufgeschlitzte Halsschlagadern und zersägte Leichenteile. Wenn dann noch die Müllmänner mit dem abgetrennten Kopf der Mariedl Fußball spielen, ist Schwab endgültig zum schenkelklopfenden Volksstück geworden, das die Zwischentöne unter einer Splatterfirnis gut verborgen hält. Bodo verzichtet leider darauf, den Text in all seiner Kunstfertigkeit, Sprachverliebtheit, Boshaftigkeit und Schärfe für sich sprechen zu lassen. Dass man den drei Frauen dennoch gerne zusieht, liegt an den drei hervorragenden Darstellerinnen, die es selbst bei all den Oberflächeneffekten schaffen von ihren Verletzungen, ihrer Engstirnigkeit, ihrer Verbitterung und ihrer Beschränktheit zu erzählen.
Birgit Schmalmack vom 14.1.19

Zur Kritik von

nachtkritik 
SZ 
taz