Futurecore 2000 - All Beats Are Beautiful, Kraftwe



Faszinierende Apokalypse

Die Beats sind hart und schnell. Sie treiben den Puls an, sie lassen die Herzfrequenz steigen. In der leeren Kesselhalle des stillgelegten Kraftwerks Bille vibrieren die Wände und die Körper. Die zwei Tänzerinnen zucken im Takt. Ihre Körper werden wie Maschinenteile von den elektronischen dröhnenden Beats angetrieben. Auch die Körper der Zuschauer, die sich im Raum verteilen, werden zum Klangkörper der Bässe.
Die Tänzerinnen (Gloria Höckner, Su Jin Kim) Musik stehen vor einer transparenten Trennwand, die von hinten angestrahlt wird. Plötzlich beginnt sie wie von Zauberhand an zu ruckeln und sich langsam in die Höhe zu heben. Die Tänzerinnen schlüpfen unter ihr hindurch und erobern den zweiten Teil des Raumes. Ein dritter Tänzer (Marc Carrera) gesellt sich hinzu, Die Musik treibt sie zu immer neuen Bewegungen an, doch Begegnungen werden nie daraus. Stets bleiben sie auf sich selbst konzentriert. In ihrem eigenen Antrieb von den Rhythmen gefangen. Manchmal allerdings sind ihre Bewegungen kurzzeitig im Gleichklang, um sich dann wieder auseinander treiben zu lassen. Selten sind ihre Bewegungen schwingend und gerundet. Ihre Körperteile zucken wie schnelle Pendel, die sie nur langsam vom Fleck kommen lassen. Wenig Bewegungsfreiraum scheint ihnen diese Welt zu lassen, auch wenn augenscheinlich viel leerer Raum zur Verfügung stände.
Doch einmal wirken sie geradezu ausgelassen: In eine der Ecken leuchtet eine Kreisfläche in strahlendem Weiß auf. Die Tänzer rasen wie magisch angezogen darauf zu und springen gegen den Lichtkreis. Er wirft sie wieder zurück auf den Boden. Im ständigem Kreislauf versuchen sie es immer wieder, bis sie fast regungslos an einer der Säulen gelehnt stehen bleiben. Ein knarzendes Geräusch mischt sich unter die Musik: Zwei Metallstehlen schieben sich auf dem Boden durch die Halle und begrenzen den Tanzraum unter der heruntergeklappten Lichtdecke.
Als nach einem Black im Rücken die Metalltrennwände teilweise geöffnet werden, wabert dichter Nebel herüber. Im letzten Raum wird im dichten Dunst langsam eine riesige runde Figur sichtbar, die langsam hin und herschwankt. Hier tanzt ein weich mit Stoff bespannter fast raumhoher Zylinder sanft wie vom einem Windhauch geweht hin und her. Menschen gibt es nicht mehr. Die Beats sind ruhig geworden. Die Welt scheint zur Ruhe gekommen. Ohne Maschinenmusik, ohne angetriebenen und ohne antreibende Menschen, zum Schluss in völliger Stille.
So sieht so die Zukunft aus? Futurcore 2000 (Choreografie: Gloria Höckner, Musik: Zoë McPherson, Bühnenbild: Marc Einsiedel, Felix Jung) entwirft mit Hardcore Techno-Beats posthumanistische Perspektiven auf den Körper zwischen Utopie und Apokalypse.. Die dramaturgisch sehr gekonnt konzipierte Performance erschreckt, interessiert, fasziniert und beeindruckt gleichermaßen. Die in festen Abläufen gefangenen Bewegungsmuster werden so geschickt in immer neue Räume gestellt, dass sich ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk aus Musik, Raumwirkung, Bühnenbild und Tanz ergibt, dessen Faszination man sich kaum entziehen kann und das perfekt in die alte Kesselhalle passt.
Birgit Schmalmack vom 9.9.19