The waste land, Kraftwerk Bille

The waste land, Kraftwerk Bille Regie: Jari Niesner


Zwischen Ödnis und bürgerlicher Idylle

Ein starkes Bild kurz vor Ende: Nachdem sich die beiden Darsteller zunächst im aufblasbaren Plastikswimmingpool angenähert haben, wird dieser unter eine riesige Brause geschoben und die Frau steht plötzlich alleine im Regen. Und das mitten in einer riesigen, ungeheizten Fabrikhalle!
Die beiden großen Hallen des Kraftwerks Bille, die durch metallene Rolltore miteinander verbunden sind, bilden den Schauplatz für das Erzählgedicht "The waste land" von T.S. Eliot, das ein Kaleidoskop aus Stimmungen und Eindrücken aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg einzufangen versucht. Der junge Regisseur Jari Niesner arrangiert daraus ein Tableau an Spielsituationen zwischen den beiden Darstellern Naomi Odhiambo und Joel Williams. Sie schlüpfen mit den im Raum verteilten Requisiten blitzschnell in die verschiedenen Rollen, agieren in den unterschiedlichen Arranegments der beiden Räume. Während sich im ersten Raum, der fast leer gehalten ist und nur tote oder verdorrte Vertreter einer zerstörten Natur bereit hält, ein "waste land" zeigt, tauchen die Zuschauer im zweiten Raum hinter den sich öffnenden Rolltoren in eine warme kleinbürgerliche Idylle ein. Hier sind Versatzstücke von Wohnzimmern, Leseecken und Esstischen zu sehen, die in eine Welt vor der Zerstörung blicken lassen. Hier begegnen sich die beiden Darsteller in unterschiedlichen Konstellationen, mal als Ehepaar, als Kriegsheimkehrer oder als Freunde.
Auch der Bühnenbildnerin Iris Holstein ist es zu verdanken, das ein atmosphärisch dichter Abend entsteht. Ihre Installation in den beiden Hallen ist ein Kunstwerk voller Andeutungen und versteckter Details. Wer den Text von Eliots Gedicht kennt, hat noch mehr Spaß am Entdecken. Die von ihm eingeflochtene Passion Christi findet sich im Kostüm der Cellistin wieder. Die verwendeten Vogelstimmen spiegeln sich in den auf Querstreben platzierten ausgestopften Vögeln. Die von Eliot erwähnte sexuelle Annäherung findet sich in den projizierten Filmbildern und der Swimmingpoolszene wieder. Die Unterwasserfantasien sind in den Bildern auf dem Fernseher zu erahnen.
Die Hallen sind für den Text einerseits ein idealer Aufführungsort, weil die Größe und Leere zum Spielen und Experimentieren einlädt, doch sie haben auch ihre Tücken. Während für die Cellistin Miriam Griess der Widerhall ihrer Töne zur Verstärkung ihres Spiels beiträgt, werden die Texte, die die beiden Schauspieler auf Englisch vortragen, oft so verzerrt, dass das Verstehen erschwert ist. Doch um die intellektuelle Durchdringung des Gedichtes geht es in diesem Regieprojekt weniger als vielmehr um das Einfühlen in eine Stimmungslage der Verunsicherung, Zerstörung und Neuorientierung. Das dabei auch die sprachmelodischen Aspekte des Gedichtes nicht immer zur Geltung kommen, ist ein kleiner Wermutstropfen am Rande. So dürfen sich die Zuschauer ganz unbeschwert dem Vergnügen des freien Begehens und Entdeckens in den Räumen hingeben.
Birgit Schmalmack vom 2.10.18